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Oksa Pollock. Die Unverhoffte

Oksa Pollock. Die Unverhoffte

Titel: Oksa Pollock. Die Unverhoffte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Plichota
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der Schulkapelle zu erkunden.
    »Jetzt mach nicht so ein Gesicht! Es geht nun mal nicht anders. Und keine Sorge, mein Granuk-Spuck ist prall gefüllt mit Munition«, sagte Oksa und grinste Gus aufmunternd an. »Außerdem vergisst du das hier!«
    Ohne Gus aus den Augen zu lassen, hob sie gut zehn Zentimeter vom Boden ab.
    »Vertikalflug auf offener Straße? Jetzt lässt du es aber krachen!«
    »Tja, große Übel erfordern drastische Maßnahmen«, sagte Oksa mit einem nun doch etwas nervösen Unterton in der Stimme.
    Allmählich wurde es Abend und Oksa überquerte im Schutz der hereinbrechenden Dämmerung festen Schrittes die Straße. Das schmiedeeiserne Gartentor quietschte leise, als sie es aufschob, wodurch ihre Entschlossenheit ein wenig ins Wanken geriet. Dennoch ging sie tapfer weiter, auch wenn sie sich innerlich nicht annähernd so selbstsicher und zuversichtlich fühlte, wie sie sich nach außen hin gab.
    Ihr fiel ein, was ihr Vater immer bei ihren Karatestunden sagte: »Wenn du glaubst, dass du es schaffen kannst, Oksa-san, dann kannst du es auch schaffen. Wenn du es nicht glaubst, dann lass es bleiben.«
    Und so hielt sie nun, bevor sie sich anschickte, an der Steinfassade emporzuklettern, einen Moment lang inne, um die Mauer vor ihr zu betrachten, und nahm eine Kung-Fu-Pose ein: die Hände vor dem Körper erhoben und das linke Bein nach hinten gestreckt.
    Gus verdrehte halb amüsiert, halb verzweifelt die Augen zum Himmel.
    Ein paar Sekunden später kniete Oksa auch schon auf dem Fenstersims im zweiten Stock. Das Fenster war tatsächlich nicht richtig verschlossen und ließ sich ohne große Mühe hochschieben. Oksa stieg hinein und wurde von der Dunkelheit im Inneren des Hauses verschluckt.
    Gus trat vor Ungeduld und Sorge von einem Fuß auf den anderen. Als Oksa durch das Fenster im zweiten Stock verschwunden war, hatte er rasch die Straße überquert und sich, noch auf dem Gehsteig, hinter das Mäuerchen des Grundstücks geduckt. Von dort beobachtete er bereits seit einer gefühlten Ewigkeit die Haustür. Endlich ging sie auf und Oksa schaute mit leuchtenden Augen heraus.
    »«Na, du hast dir aber Zeit gelassen«, flüsterte er, während er ins Haus schlüpfte.
    »Ich habe mich ein wenig umgesehen«, sagte Oksa mit einem spitzbübischem Zwinkern. »Jetzt komm!«
    »Fühlt sich komisch an, hier drin zu sein.«
    »Was du nicht sagst!«, gab Oksa zurück. »So normal habe ich es mir gar nicht vorgestellt.«
    »Hast du vielleicht Särge anstelle von Betten erwartet? Leuchter mit tropfenden schwarzen Wachskerzen und Totenkopfvasen, oder was?« Gus stieß Oksa grinsend den Ellbogen in die Seite.
    Wenn dem so gewesen wäre, hätte Oksa jetzt ziemlich enttäuscht sein müssen, denn in der Diele und dem, was man vom Wohnzimmer erspähen konnte, dominierten klare helle Farben. Die weiß gestrichenen Möbel und Wände wirkten sehr nüchtern, jedoch nicht streng. Oksa und Gus wagten sich bis zum Wohnzimmer vor: Zwei beigefarbene, fein gestreifte Sofas waren um einen Tisch herum gruppiert, auf dem eine makellose Tischdecke lag. Entlang der Wände standen Konsolen aus hellem Holz mit Kristalltischleuchten oder Gipsbüsten darauf.
    An einer Wand hing ein Bild, das Gus’ Aufmerksamkeit erregte.
    »Oksa!«, rief er leise. »Schau mal, könnte das nicht die berühmte Insel sein, von der Mortimer geredet hat?«
    Oksa trat näher und beide betrachteten das gerahmte Foto. Soviel man sehen konnte, war es tatsächlich eine Insel. Die Küsten waren wild zerklüftet und bargen zahlreiche, von der Gischt tosender Wellen ausgespülte kleine Buchten. In der Ferne, hinter einer Reihe karger Hügel, war ein rot-gelber Leuchtturm zu sehen sowie ein Gebäude aus grauem Stein.
    Doch die Inspektion des Zimmers wurde jäh unterbrochen, als auf einmal gedämpftes Stimmengewirr ertönte, das aus dem Keller zu kommen schien. Oksa nahm ihr Granuk-Spuck in die eine Hand und packte mit der anderen Gus am Arm. Gemeinsam schlichen sie zu der kleinen Tür unter der Treppe.
    »Bist du sicher, dass das von da unten kommt?«, fragte Gus flüsternd. Das Herz klopfte ihm bis zum Hals, und bei der Vorstellung, womöglich da hinunterzumüssen, war er kreidebleich geworden.
    »Ich habe überall nachgesehen, das ganze Haus ist leer, Gus. Es bleibt nur noch der Keller. Und Kellertüren befinden sich nun mal üblicherweise unter der Treppe«, antwortete Oksa ganz sachlich.
    Und wieder einmal hatte sie recht: Kaum hatten sie die Tür geöffnet, vernahmen sie

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