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Oksa Pollock. Die Unverhoffte

Oksa Pollock. Die Unverhoffte

Titel: Oksa Pollock. Die Unverhoffte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Plichota
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Boden wand, ziemlich furchtbar – selbst wenn es sich dabei um den schrecklichen McGraw handelte! Sie würde ihre Baba nie wieder mit denselben Augen betrachten können … Doch jetzt war gewiss nicht der richtige Moment für solche Überlegungen. Jetzt galt es vielmehr, schnellstens herauszufinden, welche der beiden Dragomiras tatsächlich ihre Großmutter war, und dann aus dieser Falle zu entkommen. Am besten lebendig …
    »Wie hieß dein Mann, Baba?«, fragte Oksa in sachlichem Ton die Dragomira Nummer zwei.
    »Wladimir Pollock, meine Duschka, aber ich glaube, dass Orthon das weiß. Verlass dich nicht auf diese Antwort.«
    »Na gut, dann zu dir.« Oksa richtete den Zeigefinger auf die erste Dragomira. »Wo sind die Eltern von Jeanne Bellanger gestorben?«
    »In der Tschechoslowakei, meine Duschka, während des Prager Frühlings im August 1968. Sie wurden von sowjetischen Soldaten ermordet. Und ich glaube nicht, dass Orthon das weiß.«
    »Hör nicht auf ihn, Oksa!«, schrie die Dragomira zwei heiserer. »Das kann Orthon sehr wohl wissen! Er beobachtet uns seit Jahren. Denk nur an die Liste!«
    »Sei still!«, rief die erste Dragomira und drohte mit ihrem Granuk-Spuck. »Deine Familie hat immer nur Chaos gesät, und sie ist schuld daran, dass ich von meinen Eltern getrennt wurde. Aber heute wirst du für das bezahlen, was die Deinen getan haben!«
    »AUF-HÖ-REN!«, schrie Oksa. Ihr war, als ob ihr Herz von der Last des Zweifels zermalmt würde.
    Verzweifelt sah sie zu Gus hinüber, der bereits seit einer Weile versuchte, ihr etwas zu verstehen zu geben. Er hatte unauffällig den rechten Zeigefinger in die Höhe gestreckt und einen Finger der anderen Hand darum herumgelegt.
    Plötzlich begriff Oksa, was er meinte. Der Ring! Ihr Blick huschte zur Hand der einen, dann zur Hand der anderen Dragomira: Der Ring, der ihr am ersten Schultag an McGraws Hand aufgefallen war, der herrliche Ring aus geflochtenem Silber mit dem schiefergrauen schillernden Stein, steckte am Finger der ersten Dragomira! In Oksas Kopf drehte sich alles. Konnte sie sicher sein? Womöglich hatte McGraw ihn der echten Dragomira an den Finger gesteckt, um noch mehr Verwirrung zu stiften? Die beiden alten Damen belauerten sich noch immer und ließen einander keinen Moment aus den Augen.
    Oksa war zu keiner Regung fähig. Hilflos sah sie Gus an. Jetzt blies er in seine Hände, die er zu einer Art Rohr aneinandergelegt hatte. Was sollte das bloß heißen? Oksa beobachtete ihn noch aufmerksamer und verstand: das Granuk-Spuck! Was hatte Abakum doch gleich zu den Granuk-Spucks gesagt? Sie musste sich jetzt unbedingt daran erinnern … Dass sie alle unterschiedlich und ganz individuell waren, niemand konnte ein Granuk-Spuck benutzen, das ihm nicht gehörte, da die Blasrohre ihren Besitzer erkannten. Unterschiedlich! Genau! Das war die Lösung!
    Oksa richtete den Blick auf die kostbaren Blasrohre der beiden Dragomiras. Die erste hielt ein Granuk-Spuck aus dunklem Horn, durchzogen von feinen Silberfäden in der Hand. Das Granuk-Spuck der Dragomira Nummer zwei war heller, weiß mit einem leichten Schimmer von Rosa und übersät mit winzigen funkelnden Punkten aus Gold und Edelsteinen. Oksa konzentrierte sich mit aller Kraft. Ninja-Oksa, versuch, dich zu erinnern: das Granuk-Spuck von Baba … Das kann doch nicht so schwer sein! Aber – hatte sie es überhaupt schon einmal gesehen? Oksa suchte fiebrig, ja, geradezu wütend in ihrer Erinnerung.
    Plötzlich löste sich eine Szene aus dem Wirrwarr von Bildern, der in ihrem Gedächtnis tobte: Sie hatte sich vor einiger Zeit in Leomidos Küche abgespielt. Dragomira hatte ihr Granuk-Spuck herausgeholt, um Oksa die Reticulata vorzuführen. Es war ein fast weißes Granuk-Spuck gewesen, das über und über funkelte. Genau, aber es blieb immer noch derselbe Haken wie bei dem Ring: Vielleicht hatte McGraw die Verwandlung so weit getrieben, dass er sogar die Granuk-Spucks ausgetauscht hatte? Es gab einfach keine Lösung.
    Doch Oksa blieb keine Zeit für weitere Grübeleien: Plötzlich tauchte aus den Tiefen des Kellers ein buckliges, hageres Geschöpf auf und sprang der zweiten Dragomira auf den Rücken.
    »Du modrige alte Schachtel! Ich schneid dir die Gurgel durch wie einem fetten Schwein! Nichts anderes bist du nämlich!«
    Oksa, die sofort den Grässlon wiedererkannte, streckte hastig ihre Hand aus und schleuderte das Geschöpf mit einem mächtigen Knock-Bong ans andere Ende des Kellers. Doch das

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