Oksa Pollock. Die Unverhoffte
Mädchens zu dem der Thronfolgerin in einer unbekannten und fabelhaften Welt ging nicht schmerzfrei und reibungslos vonstatten. Ihre neu erworbenen Gaben erfüllten sie mit einem schwindelerregenden Bewusstsein von Macht; es war nicht leicht, dem zu widerstehen. Und es war genau diese Unfähigkeit, sich zu zügeln, die sie immer wieder in Schwierigkeiten brachte und wegen der sie heute furchtbar litt.
Gleichzeitig hatte sie das unangenehme Gefühl, dass ihr Leben eine ebenso mysteriöse wie gefährliche Wendung genommen hatte. Sie wollte unbedingt mehr herausfinden und dieses viel beschworene Edefia entdecken. Aber was würde das alles mit sich bringen? Sicherlich genauso viel Gutes wie Böses. Dieses Mal auf ihrem Bauch hatte ihr ganzes Leben auf den Kopf gestellt. Oder besser gesagt, ihre Zukunft. Würde sie Astrophysikerin werden, wie sie es schon immer wollte, seit sie entdeckt hatte, welche Geheimnisse der Himmel barg? Würde sie heiraten? Kinder bekommen? Oder würde sie die Rette-sich-wer-kann nach Edefia zurückbringen und dort Herrscherin werden? Sie hatte keine Ahnung. Sie wusste nur, dass ihre Mutter ihr schrecklich fehlte und dass sie furchtbare Angst hatte, ihre Eltern würden sich scheiden lassen. Sie hätte alles gegeben, damit ihr Leben wieder normal wurde. Aber würde das überhaupt eines Tages möglich sein?
Eine Sternschnuppe mit einem langen goldglänzenden Schweif fiel herab und Oksa wünschte sich etwas. Etwas, das genauso unerreichbar war wie die Sterne am Himmel.
Auf diese vielen düsteren Gedanken folgte plötzlich ein Einfall. Es gab hier jemanden, der ihr all die Fragen beantworten konnte! Und ein Teestündchen zu zweit war dafür die perfekte Gelegenheit!
Als hätte die Plempline Oksas Gedanken gelesen, kam sie in dem Moment mit dem Tablett durch die Tür, stellte es auf einem kleinen hölzernen Beistelltischchen ab und schenkte zwei Tassen voll.
Beide machten es sich mit dem dampfenden Getränk in ihren Sesseln gemütlich.
»Welch eine Freude, Enkelin meiner Huldvollen, macht mir dieser von Großzügigkeit erfüllte Besuch!«, sagte die Plempline und ein breites Lächeln zog sich über ihr Gesicht.
»Danke. Mir macht es auch Freude. Wie geht es dir, Plempline?«, fragte Oksa, die von der Ausdrucksweise dieses komischen kleinen Geschöpfs verwirrt war.
»Gut, gut, immer gut! Das ist eine Ordnungsmäßigkeit, auf die wir Plemplems Wert legen. Wir haben Arbeit, unsere Huldvolle hat uns die Verantwortung übertragen, man muss ordnungsgemäß sein, die Wichtigkeit ist umfangreich!«
»Du hast vollkommen recht«, sagte Oksa und versuchte, ernst zu bleiben. »Und was Dragomira angeht … weißt du zufällig, wann sie wiederkommt? Und … meine Mutter?«
»Ich bin in der Kenntnis dieser Information, doch ich kann nichts sagen. Mein Mund wird nicht zugehalten, er muss aber nichtsdestotrotz stumm bleiben. Doch habt keine Melancholie, sie haben beide die wahre Liebe für Euch, und die Rückkehr erlebt die Baldigkeit, das ist unerschütterlich«, antwortete die Plempline.
»Sag mal, Plempline, warum ist meine Großmutter nie nach Edefia zurückgekehrt?«
Die Plempline sah sie verblüfft an. »Warum? Ihr habt die Frage nach dem Warum? Ich tauche in das größte Erstaunen. Habt Ihr nicht das Verständnis?«
»Sag es mir bitte, ich finde das alles so kompliziert«, bedrängte Oksa sie mit flehendem Blick.
»Also … ich habe den Schrecken, Euch zu antworten, doch ich werde nichtsdestotrotz die Aufklärung bieten. Zwei ernsthaft wichtige Dinge haben diese Rückkehr in die Verhinderung versetzt: Der Fluch hat das Tor mit Schließung belegt. Doch diese Ernstlichkeit ist verschwunden, da Ihr die zukünftige Huldvolle seid. Durch die Verbindung beider Huldvollen erlebt die Rückkehr nun wiederum die Möglichkeit. Die zweite Sache jedoch prägt eine unauslöschliche Traurigkeit in unsere Herzen ein: Es ist das Unwissen. Edefia ist an irgendeinem Ort, doch wer weiß schon, wo?«
»Willst du damit sagen, dass niemand weiß, wo Edefia liegt? Nicht mal ungefähr? Im Norden? Im Süden? Irgendjemand muss doch eine Ahnung haben!«, sagte Oksa erregt.
»Ein Einziger hatte den Absoluten Wegweiser: die Huldvolle Malorane. Die Kammer des Umhangs ist die Spenderin dieses Wegweisers, und die Huldvolle Malorane ist diejenige, die der Kammer den letzten Besuch abgelegt hat. Doch ihr Leben ist durch den Verlust des Geheimnisses-das-nicht-enthüllt-werden-darf verschlungen worden. Jedoch … Darf ich der
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