Oksa Pollock. Die Unverhoffte
›beaugenscheinigen‹! Wer ist sie denn, die Goranov?«
Ihr Vater hatte keine Zeit mehr, zu antworten, da der Plemplem zusammen mit der Plempline zurückkam, einem ebenso verblüffenden Geschöpf wie er selbst. Sie war schlecht proportioniert und so lang, wie ihr Gefährte breit war, ihr Körper bestand zu zwei Dritteln aus Beinen. Ihr Gesicht glich, abgesehen von feinen zitronengelben Haaren oben auf dem Schädel, ganz dem des Plemplems: zerknitterte braune Haut, dieselbe kleine, abgeflachte Nase, Ohren, die genau im rechten Winkel vom Kopf abstanden, zwei große runde Zähne, die aus dem Mund ragten. Aber konnte man überhaupt von einem Mund sprechen? Es war eher ein langer gebogener Spalt, der quer übers Gesicht von einem Ohr zum anderen führte. Beide Plemplems trugen eine akkurat gebügelte dunkle Latzhose mit einem Smiley darauf. Sobald die Plempline Oksa erblickte, eilte sie zu ihr. Doch diese Begegnung verunsicherte sie so sehr, dass sie sich in ihren langen Beinen, die nicht dicker waren als ein Besenstiel, verhedderte und der Länge nach auf den Teppich fiel. Die Pflanze in ihren Händen segelte durch die Luft und landete in den Händen von Oksa, die wie gelähmt dastand und staunte.
»Ooh, Enkelin meiner Huldvollen!«, jammerte die ungeschickte Plempline und rieb sich das Kreuz. »Wie absurd von mir, auf diese Weise zu stürzen! Meine Beine sind unsterblich lächerlich, ich hoffe, Ihr könnt mir eines Tages verzeihen!«
Oksa wandte sich ihrem Vater zu, der versuchte, eine möglichst betrübte Miene aufzusetzen. »Sind sie immer so, Papa?«, fragte sie ihn fröhlich.
»Aber ja!« Nun musste Pavel wirklich lachen.
»Aah! Was ist das?«, rief Oksa plötzlich.
Tatsächlich schien es, als wäre die Pflanze in ihren Händen gerade aufgewacht. Von ihrem schlanken, etwa vierzig Zentimeter hohen Stamm aus öffneten sich zarte, flache runde Blätter in einem glänzenden, satten Grün. Sie schwankte hin und her, und ihr Laub zitterte, als würde sie frieren. Dabei stieß die Pflanze einen entsetzten Schrei aus.
»Sie lebt ja!«, rief Oksa erstaunt.
»Pflanzen leben immer, Oksa«, belehrte ihr Vater sie mit gespieltem Ernst.
»Ja, aber nicht so!«
»Ich lebe, ja! Aber auch nur zufällig!«, zeterte die Pflanze und versuchte Oksa für sich zu gewinnen, indem sie all ihre Blätter auf sie richtete. »Diese Plempline hat den Kopf verloren!«
»Nein, Goranov, meinem Kopf ist kein Verlust widerfahren, es ist mein Gleichgewichtssinn, der unter einem Defizit leidet.«
»Aber du musst verrückt geworden sein, mich einen Looping machen zu lassen! Du willst wohl meinen Tod?«
»Der Looping ist ein Übertreiben, Goranov, du hast einen Gleitflug mit einem perfekten Gelingen ausgeführt«, verbesserte die Plempline sie.
»Ein Looping oder ein Gleitflug, das kommt aufs selbe raus!«, schrie die Goranov und zitterte an allen Blättern. »Du wolltest mich wieder einmal umbringen, du gemeingefährliche Serienmörderin …«
Bei diesen Worten sanken ihre Blätter in sich zusammen und legten sich an ihren Stamm.
»Sie ist in Ohnmacht gefallen«, erklärte Pavel seiner Tochter, die Tränen lachte. »Aber mach dir keine Sorgen, das ist ganz normal bei ihr.«
»Das ist ja der Wahnsinn! Ich liebe diese Geschöpfe«, sagte Oksa und gab der Plempline die Hand, um ihr aufzuhelfen.
Diese nahm die Hilfe mit einem dankbaren Blick an.
Plötzlich hörte man von unten das Telefon klingeln. Oksa stellte die immer noch ohnmächtige Goranov ab und wollte schon losrennen, als ihr Vater sie zurückhielt. »Das wird für mich sein. Im Restaurant ist noch einiges zu tun und es kann sein, dass ich noch mal los muss«, sagte er. »Aber vielleicht magst du dich noch ein wenig mit der Plempline bekannt machen?«
»Tolle Idee«, erwiderte Oksa strahlend und wandte sich dem mittlerweile wieder ein wenig erholten Geschöpf zu. Kaum hatte Pavel den Raum verlassen, schien die Plempline sich auf ihre Rolle und das damit verbundene Gebot der Höflichkeit zu besinnen und fragte Oksa mit einem Blick aus ihren großen sanften Augen: »Habt Ihr den Wunsch nach einem zauberhaften Getränk?«
Oksa nahm erfreut an und die Plempline verließ den Raum.
Oksa ging zum Fenster. Die Nacht war hereingebrochen, doch der Himmel war klar. Sie war allein und wollte die Gelegenheit nutzen, um in Ruhe nachzudenken. Aber die Gedanken wirbelten in ihrem Kopf herum wie Wäsche in der Waschmaschine beim Schleudergang. Der Übergang vom Dasein eines gewöhnlichen
Weitere Kostenlose Bücher