Oksa Pollock. Die Unverhoffte
WAR DAS? Den mache ich zu Brei!«, schrie er außer sich vor Wut.
»Es war doch nur der Brunnen, Mortimer, es war die Fontäne«, sagte das Mädchen neben ihm und gab ihm ein paar Papiertaschentücher.
Statt einer Antwort trat der Junge kräftig gegen den Rand des Springbrunnens, tat sich dabei allerdings nur ordentlich weh und machte sich noch lächerlicher. Dann warf er der Engelstatue oben auf dem Brunnen einen bösen Blick zu, machte kehrt und rannte tropfnass und wutschnaubend zur Toilette.
Alle Blicke waren auf die Mitte des Schulhofs gerichtet. Nur Zoé, Zeldas Freundin, sah Oksa an – war da Neugier in ihrem Gesicht oder war es Misstrauen? Was, wenn Zoé mitbekommen hatte, was vorgefallen war? Aber das war unmöglich! Trotzdem begann Oksa ihre Tat zu bereuen. Es war ja nicht so, dass sie nicht gewarnt worden wäre! Automatisch streichelte sie ihr Ringelpupo und lächelte Zoé verlegen an.
»Es ist wohl besser, diesem Springbrunnen nicht zu nahe zu kommen.«
»Ja, offenbar ist der Mechanismus defekt. Der Brunnen ist aber auch sehr alt«, antwortete Zoé und lächelte zurück.
Sie senkte den Kopf, ihr langer rotblonder Pony fiel ihr ins Gesicht. Sie wirkte so ehrlich, dass Oksa verunsichert war. Vielleicht war sie wirklich nur ein schüchternes Mädchen, das Freunde suchte. Zoé war ständig mit Zelda zusammen, und ihre Anwesenheit war von der ganzen Gruppe akzeptiert worden, besonders von Gus.
Oksa gab sich neuerdings große Mühe, sich ihren Ärger nicht anmerken zu lassen, wenn Zoé in Gus’ Nähe auftauchte; aber wohl fühlte sie sich nicht, wenn sie dabei war. Zoé musterte sie immer so merkwürdig! Und obwohl Oksa wusste, dass Zoé es nicht leicht hatte und neue Freunde brauchte, schaffte sie es nicht, sich auch nur auf einigermaßen natürliche Weise mit ihr zu unterhalten.
Sie dachte an die schöne Duftseife, die Zoé ihr zum Geburtstag geschenkt hatte, und die sie wegen ihrer Allergie auf Glyzerin, das in den meisten Seifen enthalten ist, ihrer Mutter gegeben hatte. Irgendwie schien sie auf dieses Mädchen und alles, was mit ihr zusammenhing, allergisch zu reagieren …
Gus unterbrach ihre Gedanken, indem er ihr zuflüsterte: »Diesmal wäre es fast schiefgegangen. Was macht denn dein Ringelpupo?«
»Das spielt Vampir!«, antwortete Oksa mit zusammengebissenen Zähnen. »Schau mal, wie ich blute!«
Sie schob den Ärmel hoch, um Gus ihr Handgelenk zu zeigen, das von ziemlich tiefen, blutigen Kratzern verunstaltet war.
»Du hast es verdient, Oksa«, meinte Gus. »Wer sucht, der findet! Und du scheinst zu vergessen, dass das auch für Ärger gilt.«
»Ach, der Herr spielt sich als Moralapostel auf«, sagte Oksa spöttisch und tat so, als würde sie wieder eine Wasserkugel kneten. »Möchtest du mir etwa eine Nachhilfestunde in Ethik geben?«
»Wehe, du bewirfst mich mit diesem Ding, dann landest du nämlich angezogen im Brunnen, das schwöre ich dir!«, rief Gus und drohte ihr mit dem Zeigefinger.
Und bei diesen Worten ließ er die langen Haare vor seine leuchtenden Augen fallen, um seinen triumphierenden Blick zu verbergen.
Wer Ärger sucht ...
A
ls Oksa bei Dragomira anklopfte, öffnete ihr die Plempline. Sie trug eine gestreifte Schürze über ihrer Latzhose und machte einen sehr geschäftigen Eindruck.
»Oho, Junge Huldvolle, herzlich willkommen! Habt Ihr den Wunsch, die Einnahme unseres Nachmittagskaffees mit uns zu tätigen?«
»Plempline! Bitte sie doch erst mal, hereinzukommen.«
Dragomira war hinzugekommen, um Oksa zu begrüßen. Sie legte ihrer Enkelin die Hände auf die Schultern und zog sie in ihre Wohnung herein. Sie war wieder ganz die Alte – so fit wie zuvor, ehe das Mal auf Oksas Bauch erschienen war.
»Ich habe dir ukrainische Nalisniki zubereitet, die magst du doch so gern.«
»Mit Quark gefüllte Pfannkuchen! Vielen Dank, Baba, die finde ich ja so lecker! Aber sag mal, was macht die Plempline denn da?«
Die Plempline stand mit umgebundener Schürze auf einem Stuhl vor dem Bügelbrett und drückte das Bügeleisen mit aller Kraft auf ein kleines, in Alufolie gewickeltes Päckchen.
»Einen Croque Monsieur, meine Duschka«, antwortete Dragomira mit völliger Selbstverständlichkeit. »Einen Käse-Schinken-Doppeldeckertoast nach Plemplinen-Art, zubereitet mit dem Bügeleisen.«
»Das gibt es doch gar nicht!«
»Ach, weißt du, Plemplems sind sehr erfinderisch.«
Dragomira schenkte Oksa eine Tasse ihres Lieblingstees mit Kardamomgeschmack ein.
»Und? Was
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