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Oksa Pollock. Die Unverhoffte

Oksa Pollock. Die Unverhoffte

Titel: Oksa Pollock. Die Unverhoffte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Plichota
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vier draußen, in der Senke eines kleinen Tals unweit von Leomidos Haus. Gus und Dragomira, die auf einer Decke saßen, sahen Oksa zu, die oberhalb von Leomidos Kopf schwebte. Gus gefiel vor allem die Kung-Fu-Angriffsposition, bei der das rechte Bein im rechten Winkel stand und die aneinandergelegten Hände erhoben wurden. Dragomira hatte eine Vorliebe für die waagerechte Haltung, die »Toter Mann im Himmel« genannt wurde.
    »Nicht schlecht, Oksa, nicht schlecht! Aber glaubst du, du könntest auch ein bisschen höher aufsteigen?«
    »Das habe ich noch nie gemacht«, sagte Oksa nervös und kehrte auf den Boden zurück. »Es ist mein erstes Mal im Freien. Bisher bin ich nur in meinem Zimmer geschwebt und nie über die Decke hinausgekommen.«
    Gus verdrehte die Augen zum Himmel, als er diese unverschämte Lüge hörte.
    »Ich habe nämlich nicht vor zu sterben«, murmelte Oksa und mied den empörten Blick ihres Freundes, der sie unmissverständlich an ihren Freiflug aus dem zweiten Stock in der St.-Proximus erinnerte.
    »Meine Kleine«, antwortete Leomido ruhig, »du musst dir klarmachen, dass sich alles im Kopf abspielt: Wenn du an den Absturz denkst, wirst du abstürzen. Wenn du an den Flug denkst, wirst du fliegen. Das ist die wichtigste Regel beim Vertikalflug.«
    »Der Vertikalflug … Ich kann vertikalieren, das ist ja klasse! – Aber Angst habe ich trotzdem«, sagte Oksa und kratzte mit der Zehenspitze über den Boden.
    »Wenn du das Gefühl hast, dass es dir hilft, komme ich mit. Aber ich bin mir sicher, dass es nicht nötig ist. Los, an die Arbeit! Konzentrier dich!«
    Leomido lächelte und streckte ihr die Hände entgegen. Oksa nahm sie, schloss die Augen und ihre Züge spannten sich an. Dann öffnete sie die Augen wieder, blickte ihren Lehrer an und erhob sich in die Luft. Leomido folgte ihr in ihrem Tempo, ohne sie loszulassen, und beide stiegen immer weiter senkrecht auf. Als sie eine Höhe erreicht hatten, die Gus’ Schätzung nach der von sage und schreibe fünf Stockwerken entsprach, blieb Oksa stehen, und Leomido ließ erst eine ihrer Hände los, dann die zweite. Oksa zitterte. Ihr Körper geriet ins Wanken, die große Leere unter ihr verunsicherte sie.
    »Bleib konzentriert, Oksa, ich bin da«, flüsterte Leomido. »Dir kann nichts passieren. Ich nehme jetzt wieder deine Hände und du bringst uns hinunter.«
    Bald darauf standen sie wieder auf dem Boden.
    »Hast du das gesehen, Gus?«, fragte ihn Oksa mit vor Aufregung leuchtenden Augen. »War ich weit oben?«
    »Verdammt weit, glaub mir!«
    »Möchtest du es allein versuchen?«, fragte Leomido.
    Oksa zögerte bloß den Bruchteil einer Sekunde. Sie stieg erst nur wenige Meter auf, mit wackeligen Beinen und angehaltenem Atem.
    »Los, Oksa, du kannst es!«, ermunterte Gus sie, die Hände trichterförmig an den Mund gelegt.
    Oksa war fest entschlossen, es allein zu schaffen, also holte sie tief Luft und stieg vollkommen konzentriert in die Höhe. Leomido hatte recht. Es war gar nicht so schwer! In ungefähr vierzig Meter Höhe hielt sie inne und machte eine Rückwärtsrolle, die ihr nicht recht gelang, da die Leere unter ihr keinen Halt bot.
    Gus schauderte, Dragomira schlug sich die Hand vor den Mund und unterdrückte einen Entsetzensschrei. Nur Leomido, der volles Vertrauen in Oksa hatte, blieb ruhig.
    »Du lernst schnell, das ist gut«, sagte er gelassen, als sie wieder unten war. »Aber jetzt will ich dir mal was zeigen. Denn weit hinaufzukommen ist gut und schön, aber je schneller, desto besser!«
    Der alte Mann – immerhin war er fast achtzig – stellte sich kerzengerade hin und legte die Arme eng an den Körper. Dann schoss er wie eine Rakete hinauf, bis nur noch seine winzige Silhouette zu sehen war.
    »Wow! Habt ihr das gesehen? Das ist der Wahnsinn!«
    Mit vor Schreck geweiteten Augen sah Oksa zu ihrem Großonkel hinauf, der ihr von oben zuwinkte. So rasch er aufgestiegen war, so schnell kam er auch wieder herunter, im Sturzflug, den Kopf voran und aus voller Kehle eine Opernarie schmetternd. Auf der Höhe von Oksas Gesicht bremste er abrupt, drückte ihr einen Kuss auf die Wange und ließ sich langsam in der Waagerechten zu Boden schweben.
    »Na, da hast du ja noch zu tun, wenn du das auch mal schaffen willst«, sagte Gus und versetzte Oksa einen kräftigen Schlag auf den Rücken.
    »Ich bin völlig baff«, stellte Oksa fest. »Das will ich auch können. Und ich würde es schaffen, da bin ich mir sicher.«
    »Natürlich kannst du

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