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Oktoberfest

Oktoberfest

Titel: Oktoberfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scholder Christoph
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besser gesagt: eine Spelunke.
    Der Rauch hing in dichten Schwaden im Raum. Das Lokal war gut gefüllt, wenn auch nicht überfüllt. Aber einen freien Tisch suchten seine Augen vergeblich.
    Laut war es. Russische Popmusik kam verzerrt aus überlasteten Lautsprechern, die vergeblich gegen den ungehobelten Gesprächston der Anwesenden anplärrten. Die meisten der Gäste trugen russische Marineuniformen. Dr. Röhli kannte die Rangabzeichen.
    Ausschließlich Unteroffiziere.
    Er ging zur Theke, vorsichtig darauf bedacht, mit niemanden zusammenzustoßen. Er bemerkte, wie ihm die Anwesenden mit misstrauischen, ja feindseligen Blicken folgten.
    Am Tresen stellte er seinen Aktenkoffer vor einem freien Barhocker ab und setzte sich. Vor ihm stand ein großer Aschenbecher aus schwerem Kristallglas, der von Zigarettenstummeln beinahe überquoll.
    Der Barmann näherte sich. Ein Stier von einem Mann. Vermutlich ein ehemaliger Matrose.
    Mit blutunterlaufenen Augen starrte er Dr. Röhli an, machte jedoch keine Anstalten, den Aschenbecher zu entfernen oder zu leeren.
    »Hast du dich verlaufen, alter Mann?«, brummelte der Barmann und entblößte dabei ein lückenhaftes, nikotinbraunes Gebiss. In seinem Mundwinkel klemmte eine Zigarette. Im Rhythmus seiner Worte rieselte Asche auf den Tresen.
    »Nein. Ich bin hier verabredet. Ich möchte bitte ein Bier«, antwortete Dr. Röhli in betont höflichem Russisch.
    Der Mann ließ ein schnaubendes Geräusch hören.
    »Wir haben nur Wodka«, raunzte er zurück. Wieder fiel Asche von der Zigarette auf die klebrige Theke.
    »Dann nehme ich einen Wodka«, seufzte Urs Röhli. Was sollte das werden? Wo war Klarow? Der Oberst war eigentlich ein pünktlicher Mann. Er hatte heute noch nichts zu Abend gegessen und war hungrig. Aber er verspürte nicht die geringste Lust, den Barmann nach der Speisekarte zu fragen.
    Mit einem Knall wurde ein Glas vor ihn auf die schmutzige Bar gestellt. Dr. Röhli zuckte zusammen. Der Stier goss aus einer Flasche drei Finger breit Wodka in das Glas.
    »Nasdrowje«, grunzte der Barmann und wandte sich wieder anderen Gästen zu.
    Vorsichtig schnupperte Dr. Urs Röhli an dem Glas. Der Schnaps roch wie Lösungsmittel.
    Da ertönte eine laute, ihm unbekannte Stimme hinter seinem Rücken. »He, Männlein! Du hast doch bestimmt eine Menge Geld dabei. Meine Freunde und ich haben großen Durst. Lädst du uns auf einen Wodka ein? Oder bist du schwul? Mit Tunten trinken wir nämlich nicht. Tunten schlagen wir aus dem Leben.«
    Unverhohlene Aggressivität lag in jedem Wort.
    Der Barmann glaubte, sehen zu können, wie dem alten Mann der Schweiß ausbrach. Angstschweiß, vermutete er.
    *
    Die Männer im Lagezentrum des Kanzleramtes sahen einander stumm an. Noch immer war nicht klar, wer den Platz von Dr. Roland Frühe einnehmen sollte.
    »Wie konnte er nur so unvorsichtig sein?«, fragte der Innenminister zum wiederholten Mal. »Er hat nicht einmal seine Leibwächter mitgenommen.«
    »Wenn er das getan hätte, wären die Personenschützer jetzt auch tot«, entgegnete der Verteidigungsminister trocken. Dann wandte er sich an den Regierungschef.
    »Herr Bundeskanzler, wenn Sie gestatten, werde ich unverzüglich nach München aufbrechen und unsere Aktionen vor Ort leiten.«
    »Abgelehnt. Ich brauche Sie hier.«
    »Dann gehe ich«, sagte der Innenminister. Der Klang seiner Stimme spiegelte nicht ganz die beabsichtigte Entschlossenheit.
    »Auch das haben wir doch schon besprochen. Sie sind der Verfassungsminister. Ich brauche Sie ebenfalls hier. Wir könnten höchstens …«
    In diesem Moment kam der Finanzminister herein.
    »Herr Bundeskanzler, meine Herren«, begrüßte er die Anwesenden. »Die Beschaffung der Diamanten läuft problemloser, als wir gedacht haben. Die Firma in Südafrika ist zur Zusammenarbeit bereit. Sie geben uns ihre gesamte Reserve. Das ist deutlich mehr als die Hälfte der geforderten Summe. Außerdem haben wir ein Stillschweigeabkommen vereinbart. Wenn nichts durchsickert, wird der Preis stabil bleiben. Den Rest werden wir hoffentlich im Laufe des morgigen Vormittags in Antwerpen zusammenbekommen.«
    »Das sind gute Nachrichten. Je eher wir die Diamanten nach München schaffen, desto schneller ist dieser Horror vorbei. Hoffentlich. Sagen Sie, Herr Finanzminister«, der Kanzler hob die Stimme leicht, »wären Sie bereit, die Übergabe vor Ort zu überwachen und einen reibungslosen Ablauf zu garantieren?«
    »Wenn das Ihr Wunsch ist, dann bin ich selbstverständlich

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