Oktoberfest
an.
Moisadl und Härter kannten sich seit fast zwanzig Jahren. Härter hatte damals die Hochgebirgsausbildung in Mittenwald absolviert. Seit dieser Zeit wussten sie um die Fähigkeit und Zähigkeit des anderen.
Gegen Ende der Ausbildung bildeten sie eine Zweierseilschaft. Sie nahmen sich eine Route vor, die noch keiner vor ihnen bezwungen hatte: die Winterbegehung der Ha-He-Verschneidung an der Nordwand der Dreizinkenspitze.
Geröll. Kamine. Überhänge.
Sie waren an ihre Grenzen gegangen.
Grate. Spalten. Brüchiges Gestein.
Und darüber hinaus.
Eisfelder. Klirrende Kälte. Tortur.
Sie hatten es geschafft.
Diese Tatsache bildete einen Pfeiler ihrer Freundschaft. Ein anderer waren erbittert ausgefochtene Tischfußball-Duelle.
Leider hatte niemand je von ihrer alpinistischen Glanztat erfahren. Schon damals durfte Härters Name nicht mehr veröffentlicht werden.
»Müller nennst du dich. Ich habe was Originelleres erwartet. Otto Herzog hätte besser gepasst.« Moisadl lachte. »Mir war klar, dass du hier mitmischst. Und das nicht erst, seit dein Pilot in Mittenwald gelandet ist.« Er machte eine Pause. »Was treibt dich aus der Deckung? Wie kann ich dir helfen?«
»Wir beginnen in zwanzig Minuten mit der Evakuierung der Zelte. Wir haben allerdings ein Problem, was das Benediktiner-Zelt angeht. Wir haben zu wenig …«
»Evakuierung? In zwanzig Minuten? Warum weiß ich nichts davon?«
Härter zwinkerte ihm zu. »Weißt doch, Xari: Esse non videtur. Außerdem erzähle ich dir ja gerade davon. Ich wollte fragen, ob du …«
»Immer noch der Alte. Tarnen und Täuschen. Pass auf, dass du dich nicht verlierst in all deinen Tarnungen und Täuschungen. Manchmal frage ich mich, ob du selbst deinen richtigen Namen noch weißt. Entschuldige, ich habe dich unterbrochen. Was wolltest du fragen?«
»Wir brauchen Kampfmittelbeseitiger, um das Benediktiner-Zelt so schnell wie möglich räumen zu können. Wir haben zwar schon ein paar Leute hier, aber wir könnten Verstärkung gut brauchen. Du weißt doch, der Bundespräsident befindet sich in dem Zelt.«
Moisadl seufzte. »Ja, ich weiß. Niemand konnte ihm diesen Wahnsinn ausreden. Aber für uns muss gelten: Ein Leben ist so viel wert wie jedes andere. Was die Verstärkung betrifft, warte kurz. Ich rufe die OPZ an und frage, welche Kräfte wir zur Verfügung haben.«
Härter hörte schweigend zu, während sich der General mit der OPZ verbinden ließ.
»Moisadl hier. Buchwieser, wir brauchen Kampfmittelbeseitiger auf der Theresienwiese. Wir müssen den Bundespräsidenten rausholen.« Eine Pause entstand, während am anderen Ende der Leitung gesprochen wurde.
»Die 21er aus Stetten? Das ist ja hervorragend. Momentaner Standort?« Wieder entgegnete sein Stabschef etwas.
»Kommando zurück! Die sollen die Hühner satteln und hier antanzen. Mit Sack und Pack. Am besten gestern.« Moisadl legte auf.
»Die Kampfmittelbeseitigungskompanie 21 ist gerade in München angekommen. Du hast es ja gehört, sie waren unterwegs zu der Lagerhalle, dem Startplatz des Hubschraubers. Jetzt sind sie auf dem Weg hierher. Eintreffen frühestens in einer Viertelstunde. Kommt darauf an, wie sie durchkommen.«
»Das ist gut. Die Spezialisten aus Stetten sind genau die Leute, die wir brauchen. Ich muss jetzt gehen. Vielleicht sehen wir uns noch. Sonst melde ich mich, wenn ich Zeit habe. Kannst schon mit dem Kicker-Training anfangen.«
»Davon träumst du, Wolf. Du bist der, der hier Training nötig hat. Alles Gute und viel Glück!«
22:57 Uhr
Drei Minuten vor Ende des Countdowns kam die Yakovlev in Reichweite der EA-6B-Prowler. Ein wahres Unwetter elektronischer Störsignale entlud sich über dem russischen Flugzeug und hüllte es in einen undurchdringlichen elektromagnetischen Kokon. Die Hornets stießen aus dem Nachthimmel herab und setzten sich an die Flügelspitzen der Transportmaschine.
Als der Rechner an Bord der Yakovlev die Sequenz »Letzter Gruß« auszuführen begann, erreichte kein einziger Befehl den Empfänger auf der Theresienwiese. Kein Kompressor sprang an. Die Ventile blieben geschlossen. Der Zündimpuls für die Sprengsätze im Benediktiner-Zelt blieb aus. Der Empfänger auf dem Oktoberfest erhielt sein Signal schon seit zehn Minuten von jemand anderem.
Die Abteilung A&Ω hatte übernommen.
Ein neuer DJ war in der Stadt.
Stefan Meier war auf Sendung.
Die Evakuierung der Zelte lief an.
*
Ȇberzeugen Sie sich selbst. Schalte den Funkverkehr der Piloten auf
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