Oktoberfest
unsere Leitung!« Die Stimme von Admiral James Tiberius drang an Härters Ohr. Aber der Kapitän hörte kaum zu. Die Informationen, die er soeben erhalten hatte, brachten alles durcheinander. Er wusste noch nicht, wie er sie in seine bisherige Situationsabschätzung integrieren sollte.
Durch das Knistern der Funkübertragung hindurch war die Stimme eines Piloten der F/A-18-Hornets gut verständlich. »Habe Sichtkontakt zum Zielflugzeug, Sir. Bestätige: keine Personen an Bord des Zielflugzeugs. Zumindest niemand, der noch am Leben ist. Wenn noch jemand am Leben ist, kann er sich nicht bewegen. Wir haben dem Zielflugzeug vor zwei Minuten eine Salve zwanzig Millimeter Leuchtspur vor den Bug gesetzt. Reaktion negativ. Im Cockpit zeigt sich niemand. Wiederhole …«
Während der Pilot die Meldung bestätigte, nahm ein neues Szenario in Härters Kopf Gestalt an. Plötzlich ergab alles einen Sinn. Die merkwürdige Flugroute. Die Steig- und Sinkflüge. Oh, verdammt! Als ihm klar wurde, was geschehen war, hätte er sich am liebsten selbst eine saftige Ohrfeige verpasst.
»Danke, Admiral! Mein Vorschlag wäre, das Flugzeug zu verfolgen, bis der Sprit alle ist und es runterkommt. Wir brauchen von der Maschine, so viel wir bekommen können. Wir brauchen Kontaktspuren des Gegners.«
»Positiv, Sir!«, antwortete Steamin’ Jim. »Meine Jungs bleiben dran. Lasse die SAR-Hubschrauber klarmachen. Ein Kreuzer läuft bereits auf Kurs des Banditen. Wir fischen alles aus dem Bach, was wir finden können. Over and out.«
Die Leitung verstummte.
Kapitän zur See Wolfgang Härter wählte die Nummer des Bundeskanzlers. Als sich der Regierungschef meldete, kam der Kapitän sofort zur Sache. »Herr Bundeskanzler, hier spricht Poseidon. Wir haben eine neue Situation. Die Täter haben das Flugzeug mit Fallschirmen verlassen. Wiederhole, die Täter befinden sich nicht mehr an Bord.«
Einige Sekunden vergingen, ohne dass einer der beiden Männer etwas sagte.
»Mit Fallschirmen, sagen Sie? Wie soll das möglich sein? Man kann doch nicht mit einem Fallschirm aus einem Düsenflugzeug abspringen. Schon gar nicht aus dieser Höhe.«
»Leider doch, Herr Bundeskanzler. Man kann. Ich habe das selbst bereits mehrfach gemacht. Das Verfahren ist unter dem Kürzel HALO bekannt. Die technischen Einzelheiten soll Ihnen ein anderer erklären. Wir haben leider wertvolle Zeit verloren. Mein Fehler. Ich hätte daraufkommen können. Wir …«
»Wollen Sie damit sagen, dass sich die Täter in Luft aufgelöst haben?«, wurde er unterbrochen. »Dass sie entkommen sind? Ich meine, was sollen wir jetzt tun? Haben wir eine Ahnung, wo sich die Täter befinden? Die Geisel? Die Beute?«
»In Luft aufgelöst haben sie sich bestimmt nicht. Nein, wir brauchen dringend eine Auswertung der Flugroute. Vor allem die Änderungen der Flughöhe sind interessant. Wir müssen die möglichen Landezonen identifizieren.«
»Und dann?«
»Zielfahndung. Ermittlungsarbeit, Herr Bundeskanzler. Fremde, die plötzlich auftauchen und Geld haben. Leute, die Diamanten schleifen lassen wollen. So etwas. Da kommt eine Menge Arbeit auf die Zielfahnder des Bundeskriminalamts zu. Sie werden die Abteilungen personell aufstocken müssen. Meine Abteilung wird eine Liste mit Namen von Verdächtigen an die zuständigen Stellen weiterleiten.« Der Kapitän räusperte sich kurz. »Aber zunächst brauchen wir entlang der Flugroute Polizei oder Militär, das auf dem Boden nach Spuren sucht.«
»In ganz Europa? Das wird die Suche nach der berühmten Nadel im Heuhaufen. Aber es bleibt uns wohl nichts anderes übrig. Ich werde das veranlassen.«
»Sehr schön. Auf Wiederhören, Herr Bundeskanzler. Und nicht vergessen: All you need is love.«
»Und Sie, Poseidon, was haben Sie jetzt vor? Wo sind Sie überhaupt?«
Aber der Regierungschef bekam keine Antwort. Sein Sonderermittler hatte das Gespräch bereits beendet.
23:35 Uhr
Hauptfeldwebel Kramer von der Kampfmittelbeseitigungskompanie 21 schwitzte. Zwar war sein vierzig Kilo schwerer Splitterschutzanzug klimatisiert. Dennoch lief ihm der Schweiß in Strömen über den Körper. Nur zögernd normalisierte sich unter dem großen kugelrunden Spezialhelm seine Atmung. Er steckte den Seitenschneider zurück an seinen Platz. Langsam ließ er den Kopf gegen den Türpfosten sinken.
Die ersten beiden Zugdrähte waren durchtrennt. Zwei Claymore-Minen hatte er dadurch unschädlich gemacht. Andreas Kramer seufzte. Das war erst der Anfang, doch der erste
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