Oktoberfest
war.
»Oder so was«, wiederholte Meierinho mit nachdenklicher Stimme. Seine Hände spielten mit einer Zigarettenschachtel. »Ist ja schon merkwürdig, man hört gar keine Hubschrauber.«
»Wollte der Vogel heut nicht auf die Wiesn?«, fragte Salm.
»Stimmt«, bestätigte Meierinho. »Ich versuch mal, den zu erreichen.« Er zückte sein Mobiltelefon, wählte Werner Vogels Nummer und wartete. »Klingelt nicht mal, geht gleich die Mailbox ran.«
»Dann hat der auch keine neueren Infos. Wahrscheinlich ist der eh schon völlig strack«, ließ Salm sich vernehmen.
»Nee, das glaub ich nicht. Der wollte doch mit Amelie hingehen. Da kann er sich nicht vollkommen abschießen«, gab Meierinho zu bedenken. Auf den Gedanken, dass sein Freund in Lebensgefahr schweben könnte, kam er nicht.
»Weißt du noch irgendwas anderes?«, fragte Wackie.
»Nee«, antwortete Sonno. »Ich hab’s ja auch nur von ’nem Kumpel gehört, der heute Abend noch hingehen wollte. Die Bullen bauen Gitterzäune auf. Angeblich sind die schon mit ihren Panzerwagen da. Scheint ’ne ernste Sache zu sein.«
Stefan Meier sah Wackie, Salm und Sonno an. »’ne ernste Sache, soso.« Meierinho grinste schmal und zündete sich eine Zigarette an. »Na spitze. Wenn auf der Wiesn was passiert ist, dann kommt das bestimmt live auf CNN. Dann kann ich heute Nacht noch ’n bisschen Wiesn-Terror glotzen.«
Er zog genüsslich an seiner Zigarette.
»Wie sie’s wohl nennen werden? Die Kris’n auf der Wiesn?« Meierinho war für seinen sarkastischen Humor bekannt.
»Doch nicht auf CNN. Aber dein Vorschlag wäre was für die Jungs von RTL«, entgegnete Wackie.
Hätten die vier die Bilder sehen können, die in diesem Moment im Fernsehen übertragen wurden, wären ihnen die Witze im Halse stecken geblieben.
20:00 Uhr
Hier ist das Erste Deutsche Fernsehen mit der Tagesschau.
»Guten Abend, meine Damen und Herren. Auf dem Oktoberfest in München kommt es aus bislang ungeklärten Gründen gegenwärtig zu einem großen Polizeieinsatz. Das Gelände wird zur Stunde vollständig abgeriegelt. Mehrere Hundertschaften der Bereitschaftspolizei sind im Einsatz. Vor zwanzig Minuten wurde der Münchner Flughafen geschlossen. Ob die Schließung des Flughafens mit den Vorgängen auf dem Oktoberfest in Zusammenhang steht, ist noch unklar. Nach Angaben der bayerischen Staatsregierung handelt es sich möglicherweise um eine Geiselnahme. Vor Ort ist unsere Korrespondentin Friede Heimann. Guten Abend, Frau Heimann. Können Sie uns neue Informationen geben?«
Auf den Fernsehschirmen der Nation wurde das Gesicht der Journalistin sichtbar. Im Hintergrund sah man die Theresienwiese. Man konnte die Zelte erkennen. Licht schien von innen durch die Zeltplanen. Die Lichter der Fahrgeschäfte waren dunkel. Scheinwerfer wurden aufgebaut. In deren Schlaglicht war erkennbar, dass sich eine große Zahl Uniformierter auf dem Gelände bewegte.
»Auch hier vor Ort gibt es zur Stunde keine weitere offizielle Stellungnahme. Nach Berichten von Augenzeugen hat die Polizei ab halb sieben damit begonnen, das Gelände zu räumen und die Zelte abzusperren. Inzwischen ist der Zugang zum Gelände nicht mehr möglich. Warum die Zelte …«
Friede Heimann brach ab. Hinter ihr war bereits seit einer knappen halben Minute ein merkwürdiges Geräusch zu hören. Es kam zweifellos vom Festgelände. Und es wurde ständig lauter. Ihre Professionalität verbot es ihr jedoch, sich umzusehen.
So leicht war sie nicht aus der Ruhe zu bringen.
Jetzt aber bemerkte sie, wie ihr Kameramann das Objektiv von ihrem Gesicht weg nach oben hob. Er nahm offensichtlich etwas auf, das sich über ihr befand. Sie wandte den Kopf von der Kamera ab und sah in den Himmel über der Theresienwiese. In Richtung des Geräusches.
Friede Heimann traute ihren Augen nicht.
*
Blochin sah sich zusammen mit Okidadse und Iljuschin die Nachrichten an. Als die Korrespondentin ins Bild kam, nickte er dem Waffensystemoffizier zu.
»Showtime!«
Zunächst war im Zelt nur ein tiefes Grummeln zu hören, das in der Tonhöhe anstieg. Die Elitekämpfer hatten ihre verabredeten Positionen eingenommen und bedrohten die Geiseln mit erhobenen Waffen. Mit einem dumpfen Schlag zündete das Strahltriebwerk der ersten Luftabwehrrakete.
Zischender Lärm schwoll ohrenbetäubend an.
Dann erhob sich die Rakete mit einem brüllenden Fauchen in den Münchner Himmel. Zunächst beschrieb ihre Flugbahn eine Parabel. Am Scheitelpunkt ging die Rakete
Weitere Kostenlose Bücher