Oktoberfest
Licht, das über der Konsole links neben dem Türrahmen rot geleuchtet hatte, verlosch. Dann flammte es in grüner Farbe wieder auf.
Ein metallisches Klicken signalisierte, dass sich die Schlösser, die die schwere Stahltür verriegelt hatten, öffneten.
Er trat drei Schritte vor, in die Sicherheitsschleuse. Hinter ihm schloss sich die äußere Tür. Der Boden der Schleuse war eine Waage. Das Körpergewicht jedes Mitarbeiters war in einer Datenbank gespeichert. Der Rechner verglich das gespeicherte Gewicht mit den Messwerten. Der Vorgang dauerte zehn Sekunden, dann öffnete sich die innere Tür der Schleuse.
Nachdem Stefan Meier den Sicherheitsbereich betreten hatte, schloss sich die Tür mit einem satten Schmatzen hinter ihm.
Wie jeden Morgen.
Während er durch den Gang schlenderte, grüßte er durch die offen stehenden Türen in die Büros. Mindestens jeder dritte Arbeitsplatz war verwaist. Stefan Meier spürte die gedrückte Stimmung, die sich auf den Mienen der anderen Mitarbeiter spiegelte, beinahe körperlich. Schließlich erreichte er die Tür seines Büros.
Rechts daneben befand sich das Büro eines befreundeten Kollegen. Meierinho klopfte kurz und steckte seinen Kopf durch die Tür. Der Mann, der an seinem Schreibtisch saß und einen Bildschirm anstarrte, blickte auf.
»Guten Morgen, Stefan!«
»Ja, guten Morgen. Wo sind die denn alle?« Auf dem Gesicht des Kryptologieexperten zeigte sich ein schiefes Grinsen. »Grippeepidemie?«
»Ein paar haben angerufen und sich krankgemeldet. Manche stecken vermutlich noch im Verkehr fest. Aber viele werden wohl einfach nicht erscheinen. Die machen, dass sie wegkommen. Ich habe mir das heute Morgen auch überlegt. In anderen Betrieben soll es sogar noch schlimmer sein.«
»Dass die Leute auch immer so schnell in Panik geraten. Mir unverständlich. Die Täter, die die Wiesn überfallen haben, wollen doch irgendetwas. Wenn die die Stadt in die Luft jagen wollten, dann hätten sie das doch längst getan.«
»Ja, das habe ich mir dann auch gesagt und bin hergekommen. Aber in Extremsituationen denken die Menschen eben nicht mehr logisch.«
»Wollen wir hoffen, dass das nicht allzu sehr um sich greift. Ich werde mich mal an die Arbeit machen. Gehen wir am Mittag zusammen in die Kantine?«
»Ja klar, gerne.«
»Dann schau kurz bei mir rein. Bis später und frohes Schaffen.«
Kopfschüttelnd ging Stefan Meier in sein Büro, startete die Kaffeemaschine, plumpste in seinen Sessel und ließ den Rechner hochfahren. Seine Hände suchten nach der Zigarettenschachtel. Er musste an einen Ausspruch denken, den Albert Einstein geprägt hatte: »Zwei Dinge sind unendlich: Das Universum und die menschliche Dummheit. Was das Universum angeht, bin ich mir allerdings nicht ganz sicher.«
9
D ie Listen mit den Wach- und Schlafzeiten der Männer existierten seit Monaten. Die erste Schicht legte ihre Waffen, Kampfkoppeln, Helme und Schutzwesten neben die Feldbetten, die auf dem rechten Balkon aufgebaut worden waren. Dann legten sich die Soldaten hin. Die meisten von ihnen schliefen sofort ein. Bislang war ja nichts Außergewöhnliches passiert.
Alles nach Plan.
Fast ein Routineeinsatz.
Auch Oleg Blochin würde sich jetzt ausruhen. Er stand neben Okidadse. Das kalte Licht der TFT-Monitore überzog Blochins Gestalt mit gespenstischer Blässe. Über Funk wandte er sich an Iljuschin. Er sprach in scharfem Ton.
»Wir haben das ja bereits diskutiert, Polkownik Iljuschin. Ich wollte nur noch einmal daran erinnern, dass Polkownik Okidadse das Kommando hat, während ich schlafe.« Blochin brach kurz ab, um mit erhobener Stimme fortzufahren. »Und niemand anderes! Haben Sie das verstanden, Polkownik Iljuschin?«
»Laut und deutlich, General.« Selbst durch das Funkgerät konnte Blochin die nur mühsam unterdrückte Verärgerung des Nahkampfspezialisten hören.
Iljuschin dachte an die Frau auf dem Foto.
Der General würde sich noch wundern.
Blochin sah Okidadse an. »Ich glaube nicht, dass wir während des Tages etwas zu befürchten haben, Polkownik Okidadse. Wenn sie gekommen wären, dann im Morgengrauen. Aber vermutlich hat unser entschlossenes Vorgehen dem Gegner doch stärker zugesetzt, als wir angenommen haben. Umso besser. Wenn, dann kommt der Gegner nachts oder am frühen Morgen. Jedenfalls ich habe immer nur im Morgengrauen angegriffen. Alter Indianertrick.« Blochin lächelte unter seiner Sturmhaube. Das Lächeln erreichte seine Augen nicht.
Okidadse sah seinen Kommandeur
Weitere Kostenlose Bücher