Oktoberfest
Kontemplation zu versinken. Als die Ampel auf Grün sprang, brüllte der Motor auf wie ein wütendes Tier.
Mit einem Satz katapultierte das ungeheure Drehmoment der Maschine den obsidianschwarzen Bentley Continental GT nach vorne.
Oh Vienna.
Er hatte für sich und seinen alten Freund zwei Suiten im Hotel »Imperial« reserviert. Er war dort als Gast unter dem Namen Siedlazek bekannt. Das erste Haus am Platze. Ursprünglich 1863 als Privatresidenz des Fürsten von Württemberg erbaut. Altes Gemäuer. Anlässlich der Weltausstellung 1873 war das stolze Palais dann zum Hotel geworden. Gediegen. Verschwiegen. Da würde sein Wagen nicht auffallen. Und das Restaurant war ausgezeichnet.
Zudem kannte der Küchenchef bereits die Eigenheiten des Herrn Siedlazek. Der Gast namens Siedlazek hatte nämlich einen Tick, was das Essen betraf:
Er aß nichts Rohes.
0:07 Uhr
Härter hatte sich mit der Zeit immer weiter zurückfallen lassen. Der Trupp vor ihm bewegte sich zwar langsam, aber in gleichmäßigem Tempo auf das Ziel zu. In einer knappen Stunde würden sie unter den Toiletten des Benediktiner-Zeltes angekommen sein.
Wie es den anderen Trupps erging, wussten sie nicht. Die Trupps operierten unter absoluter Funkstille. Nur im Falle eines Angriffs durften die Männer die stärkeren Sender benutzen. Status EMCON war befohlen. EMission CONtrol.
Bedächtig und mit größter Genauigkeit suchte er nach Spuren der Täter. Auch deshalb war er hinter dem Trupp zurückgeblieben. Seine Augen brannten leicht vor Anstrengung. Nach wie vor war seine Ausbeute jedoch mehr als dürftig. Das Einzige, was seine Aufmerksamkeit erregt hatte, war ein drei Zentimeter langes Stück leerer Kabelisolation. Aber das konnte auch auf andere Art hierher geraten sein. Das hatte nicht unbedingt etwas zu bedeuten. Er hatte das kleine Stück schwarzes Plastik in ein Tütchen gesteckt und in einer seiner Taschen verstaut.
Sein Blick glitt über die Seitenwände des Kanals. Abwässer flossen um seine Knöchel. Glücklicherweise waren seine Kampfstiefel wasserdicht. Marinematerial. Erneut fand er einen Stein, der etwas aus der Mauer hervorstand. Er hatte schon viele solcher Steine untersucht, aber jedes Mal feststellen müssen, dass es sich um Ungenauigkeiten im Mauerwerk handelte.
Tastend fuhren seine Finger an den Rändern des Steins entlang. Er begann, an dem Stein zu ziehen, wendete nach und nach mehr Kraft auf. Aber das Ding saß fest.
Da entdeckte er im grünlich gefärbten Bild der Restlichtverstärkung, wie kleine Brocken morschen Mörtels unter dem Stein hervorrieselten. Der Zement war wohl mürbe geworden. Nun, das war in der ewigen Feuchtigkeit hier unten nichts Bemerkenswertes.
Er zog noch etwas stärker und fing an zu rütteln. Plötzlich hörte er ein leises mechanisches Klicken. Ein Mechanismus? Hier? Härter war alarmiert. Der Stein löste sich aus dem Mauerwerk. Das Ding war viel zu leicht. Er sah auf den Stein in seiner Hand.
Und wurde selbst zu Stein.
Der Ziegel war nicht einmal drei Zentimeter tief. Er war mit einem Meißel bearbeitet worden, und zwar vor kurzem. Die Rückseite hatte die helle, rötliche Farbe neuen Backsteins. Links und rechts waren kleine metallische Klemmen angebracht, die den Stein in Position gehalten hatten.
Er unterdrückte den Impuls, über Funk sofort einen Warnruf auszusenden. Schließlich war Funkstille befohlen. Und das hier konnte ja auch das Versteck eines Drogenhändlers sein. Oder einer Jungenbande.
Er bückte sich und spähte in das Loch in der Mauer. Doch es war dort so dunkel, dass er nichts erkennen konnte. Er zückte seine bleistiftdünne Photonenpumpe, reduzierte die Leistung seiner Brille und leuchtete in die Öffnung, die der Ziegel hinterlassen hatte. Der Lichtstrahl erfasste einen schwarzen Kasten. Das konnte alles Mögliche sein. Er leuchtete noch einmal die Ecken der Vertiefung aus, um sicherzugehen, dass keine Kontaktdrähte irgendwo versteckt waren. Alles in Ordnung! Sofort schaltete er seine Photonenpumpe wieder aus und steckte sie zurück in seine Brusttasche. Dann griff er nach dem Kasten und zog ihn heraus.
Der Kasten war etwa zwanzig mal zehn Zentimeter groß und fünf Zentimeter tief. Langsam drehte er ihn in seiner Hand, um die Rückseite zu begutachten.
Sein Erschrecken hätte nicht größer sein können.
Kapitän zur See Wolfgang Härter wusste, was er da in Händen hielt: nicht mehr und nicht weniger als den sicheren Tod.
AIM-64.
In dem ewigen Bestreben des
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