Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Olfie Obermayer und der Ödipus

Olfie Obermayer und der Ödipus

Titel: Olfie Obermayer und der Ödipus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Nöstlinger
Vom Netzwerk:
der Mürrisches zu den Brotfrau-en murrte, von denen er mit »Herr Chef« tituliert wurde.
    Ich nahm ihn als den alten Muxeneder. Eine Frau, Alter unbestimmbar, aber nicht sehr alt, marschierte auch einmal durch den Laden und verschwand in den hinteren Gefilden.
    »Grüß Gott, Frau Chefin«, sagte die Serviererin zu ihr. Da ich keine Ahnung hatte, wieviele Kinder der Herr Muxeneder in die Welt gesetzt hatte, konnte ich diese Frau nicht zur Frau meines Vaters machen. Aber ich sagte mir, daß es ja auch gar nicht normal wäre, gleich am ersten Tag der Recherche Erfolg zu haben!
    Ich brachte die Erbswurstsuppe nach Hause. Einem Ab-schiedskuß entkam ich, weil vor dem Haustor der Erbswurstsuppe zwei Frauen standen und tratschten. Eine war
    - 59 -
    die Nachbarin der Ullermanns. In deren Anwesenheit wollte die Erbswurstsuppe nicht umarmt werden. Sie hat Eltern, die das Küssen erst nach bestandener Matura, also ab achtzehn, erlauben.
    »Dann bis morgen, Wolfi«, sagte die Erbswurstsuppe, bevor sie ins Haus lief. Ich nickte. Dabei hatte ich wirklich keine Absicht, morgen in die Schule zu kommen. Man kann nicht nur am Schularbeitstag fehlen. Das sieht blöd aus.
    Mindestens drei Vormittage noch, beschloß ich, hatte ich krank zu sein, damit das Mathe-Suserl keinen Verdacht schöpfen konnte.
    Leider war die Mama schon zu Hause, als ich heimkam. Sie habe, sagte sie, früher mit der Arbeit Schluß gemacht, um ihren kranken Sohn zu hüten. Das nahm ich ihr natürlich nicht ab. Wahrscheinlich hatte sie von der Kanzlei zu Hause angerufen, und Tante Fee hatte hilflos herumgestottert, und die Mama hatte Lunte gerochen! Ich versuchte eine Notlüge. Ich sagte, ich sei beim Dr. Brummer, dem Hausarzt, gewesen. Wie die meisten Notlügen war das eine dumme Ausrede, denn die Mama wollte das Rezept vom Dr. Brummer sehen. Außerdem hatte ihr Tante Fee vorge-logen, ich sei beim Harri, um mir die Aufgaben für die Mathe-Hausübung zu holen; was eine genauso dumme Notlüge gewesen war. Angaben für Mathe-Beispiele kann man sich ja auch telefonisch durchgeben lassen.
    Die Mama hielt mir einen langen, seufzergespickten Vortrag, einen von der Sorte, die mich sonst zum Ausflippen bringt. Aber diesmal konnte ich der Mama nicht gram sein.
    Irgendwie, seit ich in ihren Problemheften gelesen hatte, stimmte mich der Anblick der Mama milde und melancho-lisch. Darum wurde ich nicht das, was die Oma »frech«
    - 60 -
    nennt, und inszenierte auch keinen meiner berüchtigten Schreianfälle. Ich sagte bloß: »Schau, Darling, es hat keinen Sinn, ich schaff das Gymnasium nicht. Meld mich ab, gib mich in die Hauptschule, zu mehr reicht es halt nicht!«
    Das schockte die Mama. Andere als akademische Laufbah-nen sieht sie für ihren Nachwuchs nicht. Sie wurde ganz sanft. Sie versuchte mich »aufzubauen«. Wie eine Kranken-schwester redete sie auf mich ein, daß ich doch ein ganz Lieber und ganz Kluger und ganz Gescheiter sei! Ein echter Wiffzack, ein totaler Blitzkneißer! Nur ein bisserl faul halt!
    Doch alles sei im Leben nachzuholen! Die nächste Woche, sagte die Mama, müsse ich der Schule fernbleiben, damit ich meine Zeit nicht mit unnützem Klimbim wie Turnen, Zeichnen und Singen zubringe, sondern mich zielstrebig mit Latein, Mathe und Englisch befassen könne. Doris werde mir in Mathe, Andrea in Latein beistehen, sie selbst werde mich in Englisch fördern. Spielend könne ich dann das Schuljahr mit höchstens einer Nachprüfung schaffen.
    Nur müsse ich ab jetzt alle Gedanken und Kräfte auf dieses Ziel konzentrieren! Da ich der Mama nicht gut sagen konnte, auf welches Ziel alle meine Gedanken und Kräfte bereits konzentriert waren, murmelte ich »Okay«, und die Mama war glücklich. So einsichtig, lobte sie, habe sie mich schon lange nicht gefunden, ich sei nun wieder ihr »guter alter Olf«, und sie habe schöne Hoffnung für die Zukunft. Heiter verließ sie mein Zimmer, und da ich an diesem Tag in wichtigeren Angelegenheiten ohnehin nichts mehr tun konnte, lernte ich Latein-Vokabeln. Um den Hausfrieden wieder gänzlich ins Lot zu bringen, ließ ich mich nach dem Nachtmahl von Andrea abhören. Bis auf zwei Wörter konnte ich alle Vokabeln, aber die Andrea, die Kuh, lobte mich
    - 61 -
    nicht, sondern keifte: »Da sieht man es! Nichts wie faul!
    Wenn du einmal was lernst, kannst du es ja!« Und die Doris fügte gehässig hinzu, das sei vielleicht für Latein zutref-fend, in Mathe sei ich jedoch ein Volldepp, da nütze mir kein Lernen.
    Das ärgerte die

Weitere Kostenlose Bücher