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Olfie Obermayer und der Ödipus

Olfie Obermayer und der Ödipus

Titel: Olfie Obermayer und der Ödipus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Nöstlinger
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hat damals gemeint...«
    Tante Fee schwieg.
    »Was hat sie gemeint?« bohrte ich nach.
    Fee zögerte. Einerseits, das merkte ich, wollte sie verschwiegen sein wie eine Familiengruft, aber andrerseits hat Fee Neigung zur Tratschsucht. Und drittens wird die arme Alte im Haus von niemandem ernst genommen. Keiner will hören, was sie zu berichten hat. Nun war endlich einer ganz geil auf ihre Statements!
    Tante Fee beschloß, keine Familiengruft zu sein! Sie beugte sich zu mir und sagte ziemlich leise, ziemlich erregt:
    »Die Oma hat gemeint, er muß verheiratet sein, sonst würde er uns nicht scheuen! Und sie hat recht gehabt!« Fee beugte sich noch näher zu mir, ihre Augen funkelten. »Und ein Kind hat er auch gehabt. Weil im Mercedes hinten auf der

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    Ablage oft ein roter Kinderball lag. Den habe ich einmal rein zufällig, wie ich im Garten war, gesehen!«
    Rein zufällig! Daß ich nicht lache!
    »Und warum meinst du, daß der mit dem Mercedes mein Vater ist?« fragte ich.
    »Weil es sich ausgegangen hat mit der Zeit!« Fees bleiches Gesicht färbte sich malvenfarben. Dieses Erröten ließ mich vermuten, daß mit der »Zeit«, von der sie gesprochen hatte, eine Neunmonatsfrist zwischen den Mercedesfahrten der Mama und meiner Geburt gemeint war. Tante Fee ist leicht verkorkst. Sie tut sich maßlos schwer, über etwas zu reden, das mit Sex zu tun hat. Aber richtig prüde ist sie nicht.
    Sonst wäre Henry Miller nicht ihr Lieblingsautor, und sonst würde sie auch nicht immer freundlich mit den zwei jungen Damen aus dem Nachbarhaus reden; die gehen nämlich -
    laut Oma - auf den Strich.
    Ich sagte zu Fee: »Doris meint, der frühere Chef der Mama
    ...«
    Tante Fee unterbrach mich: »Aber Olferle, das ist doch lä-
    cherlich! Dieser Fettbauch! Geh! Der Mann im Mercedes war jung und hübsch, mit vielen langen Haaren! Und brei-ten Schultern!« Tante Fee schwieg. Hätte sie weitergeredet, hätte sie zugegeben, daß sie den Mann nicht bloß ein paarmal, rein zufällig erblickt hatte, sondern daß sie regelmäßig hinter der Hecke auf der Lauer gelegen hatte; anscheinend genierte sie sich dafür noch fünfzehn Jahre später.
    Ich fand, so war nicht weiterkommen! Ich setzte mich auf und erzählte Tante Fee vom Gespräch meiner Schwestern und hielt ihr vor, daß sie doch mehr über meinen Vater wissen müsse, wenn sie meine üblen Charaktereigenschaften als sein Erbteil ansehe. Zuerst leugnete Tante Fee. Nie habe
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    sie etwas dergleichen zur Mama gesagt! Und ich hätte ja gar keinen üblen Charakter! Aber ich ließ nicht locker. Fee jammerte, ich solle doch vernünftig sein und alte Sachen
    »ruhen« lassen. »Warum willst du denn jetzt auf einmal alles so genau wissen?« klagte sie. »Bis jetzt hat dich das doch auch nicht interessiert!«
    Darauf konnte ich Fee keine Antwort geben, weil ich das selbst nicht wußte. Ich sagte bloß: »Fee, zier dich nicht!
    Spuck aus, was du weißt, sonst red ich mit dir kein Wort mehr!«
    Tante Fee entrüstete sich, daß das die reinste Erpressung sei, gab aber zu, etwas zu wissen. Nur, erklärte sie, seien das Tratschgeschichten, niemand könne sagen, ob in ihnen auch bloß ein Jota Wahrheit stecke. Schließlich rückte sie aber doch mit einer langatmigen, ausschweifenden Story heraus, deren harter Kern folgender war:
    Die Tochter einer Freundin von Tante Fee hatte zur fragli-chen Zeit meine Mutter mehrmals mit einem Mann beim Heurigen gesehen. Turtelnd, wie die Tochter der Freundin sagte. Und der Mann, der mit der Mama turtelte, war ihr flüchtig bekannt. Als »verbummelten« Studenten hatte sie ihn bezeichnet. Und jünger als die Mama war er angeblich.
    Und verheiratet. Und ein Kind hatte er. Und angeblich lebte er von seinen Schwiegereltern, die recht wohlhabend waren.
    Die Story rundete Tante Fee damit ab, daß sie erklärte, die Mama habe sich höchstwahrscheinlich für diesen Typ, auf den sie da hereingefallen war, so geniert, daß sie ihn allen verschwiegen hatte.
    Ich tat, als wäre ich auch dieser Ansicht und das Thema für mich deshalb erledigt. Dann mußte ich mich noch gegen die
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    Trostversuche der guten, alten Fee wehren. Sie war nämlich der Meinung, die geschilderte Vaterfigur müsse mich enorm deprimieren. Die Vorstellung, daß meine Ansichten über Moral und Sitte fernab ihrer eigenen kleinbürgerlich-bieder-spießigen Wertvorstellungen liegen, kam ihr nicht in den Sinn. Mit dem Versprechen, ihre Mitteilsamkeit keinem Familienmitglied zu offenbaren, schob

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