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Olfie Obermayer und der Ödipus

Olfie Obermayer und der Ödipus

Titel: Olfie Obermayer und der Ödipus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Nöstlinger
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Mama. Sie sagte zu Doris, ein Mensch mit solchen Ansichten sollte kein Lehrer werden. Die Kinder, die Doris einmal unterrichten werde, täten ihr heute schon leid! Da war die Doris beleidigt und ging in ihr Zimmer; was mich froh stimmte. Sonst hätte sie noch angefangen, mit mir Mathe zu büffeln. Dazu fühlte ich mich nach der Vokabelstuckerei wirklich nicht mehr fähig. Einer wie ich, der so lange gar nichts gelernt hat, kann sich nur langsam auf Touren bringen.
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    5. Kapitel

    das von weiteren erfolgreichen Nachforschungen handelt und von er-folglosen Versuchen, mit der Erbswurstsuppe klarzukommen. Außerdem gewinnt mein Pultnachbar Axel an negativer Bedeutung.

    Die nächste Woche über lernte ich tatsächlich. Stundenlang stuckte ich dermaßen, daß Tante Fee ganz ergriffen war und mir mehrmals täglich frischgepreßten Orangensaft verab-reichte, weil man beim Denken, wie sie sagte, viel Vitami-ne verbraucht. Die Mama und Andrea waren zufrieden mit mir. Die Mama drückte ihre Zufriedenheit auf die Lobe-Tour aus, die Andrea auf die Keif-Tour à la: »Na, warum denn nicht gleich?« und: »Wenn du die letzten Monate nur halb soviel gelernt hättest, hätten wir uns das ersparen können!«
    Mit der Doris kam ich nicht zurecht. Wenn sie mir ein Mathe-Problem erklärt hatte, verstand ich nicht einmal das mehr, was ich vorher gewußt hatte. Die Oma machte einen vernünftigen Vorschlag: Ich solle mich auf Latein und Englisch konzentrieren und eine Nachprüfung in Mathe machen, da hätte ich dann den ganzen Sommer fürs Mathe-Lernen. Dagegen war aber die Mama. Man soll sich, sagte sie, die Ferien nicht mit Lernen versauen. So nahm ich -
    und Doris schnaubte deswegen vor Wut -den Vorschlag von Tante Truderl und Tante Lieserl an. Die zwei sagten nämlich: »Jemand, der in Mathe begabt ist, kann jemandem, der in Mathe unbegabt ist, gar nichts beibringen. Weil er nicht versteht, daß der andere das nicht versteht. Nur ein Mathe-Dödel kapiert, wo das Nichtkapieren liegt!« Da Tan-
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    te Truderl und Tante Lie-serl ausgesprochene MatheDödeln sind, versuchten sie sich an mir.
    Das waren lustige Stunden, die mir Selbstbewußtsein brachten, weil ich mir sagte: Wenn zwei Stücke, die nicht einmal wissen, wie man einen Bruch multipliziert, das Gymnasium geschafft haben, dann wird es auch mir gelingen!
    Da mir meine »Hausdamen« nur nach der Arbeit Nachhilfe geben konnten und die Doris und die Andrea auch erst immer am späten Nachmittag von der Uni kamen, hatte ich eine Menge Freizeit, die ich nur zu fünfzig Prozent ins Lernen investierte. Die anderen fünfzig Prozent verbrachte ich beim Muxeneder. Am frühen Nachmittag traf ich mich dort mit dem Harri und dem Florian. Am späten Vormittag saß ich allein dort. Der Harri und der Florian wunderten sich zwar, daß ich ein so entlegenes Lokal zu meiner Stamm-kneipe gemacht hatte, da aber oft eine Mädchenclique beim Muxeneder hockte, die zu uns Kontakt aufgenommen hatte, waren sie mit meiner Wahl zufrieden.
    Am Vormittag war immer ein schmales, schwarzhaariges Mädchen mit ganz großen braunen Augen und Sommer-sprossen auf der winzigen Nase im Muxeneder. Joschi hieß sie. Rauchend, strickend und in Illustrierten blätternd, schwänzte sie die Schule. Wir redeten nicht viel miteinander, aber wir lächelten uns zu. Manchmal gab ich ihr Feuer.
    Oder ich tauschte Zeitungen mit ihr. Am besten gefielen mir ihre Hände. Die waren schmal und braun, mit dünnen Fingern, die ein bißchen zitterten. Das merkte man an der Zigarette zwischen den Fingern, die zitterte auch.
    Fatal war, daß auch die Erbswurstsuppe, so als sei das die selbstverständlichste Sache der Welt, jeden Nachmittag
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    auftauchte. Den Harri und den Florian störte das. Sie sti-chelten, und die Erbswurstsuppe hielt mir mit feuchtem Blick vor, daß ich sie nicht »beschütze«. Ob mir meine zwei blöden Freunde etwa wichtiger seien als unsere Liebe, fragte sie mich. Ich legte mich nicht fest, murmelte nur Be-ruhigendes. Und die Erbswurstsuppe beruhigte sich auch immer gleich wieder.
    Dem Harri und dem Florian hätte ich gern erzählt, warum ich wirklich dauernd beim Muxeneder saß, aber erstens war meistens die Erbswurstsuppe dabei, und die ging das nun echt nichts an, und zweitens brachte ich es nicht über mich, ihnen den Harley-Davidson-Papa als erstunken und erlogen zu beichten. Wir drei hatten uns schließlich in der Volks-schule schon »Ehrlichkeit auf ewig« geschworen.
    In der Vater-Recherche kam

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