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Olfie Obermayer und der Ödipus

Olfie Obermayer und der Ödipus

Titel: Olfie Obermayer und der Ödipus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Nöstlinger
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Anstandsregeln, die man bei der Brautschau einzuhalten hat. So drohend, wie ich nur konnte, schaute ich den Axel an, aber der scherte sich nicht darum und redete weiter auf die Joschi ein. Und Psychologe, der er ist, setzte er den He-bel sofort an der richtigen Stelle an. Er sprach nur noch vom Haschkuchen und vom Gratis-Kitt, den der Egon auf-stellen werde. Die Joschi bekam Glitzeraugen, und mir wurde weh zumute. Ich bin keine Kämpfernatur. Okay,
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    dachte ich, wenn ihr der verdammte Shit wichtiger ist als ich, soll sie ziehen! Wenn sie sich nicht vorstellen kann, daß ich auf ihren Bericht wie der Hund auf den Knochen warte, soll sie abhauen! Halten kann ich sie ja nicht! Aus einem Wangenkuß und drei häßlichen Pulloverreihen lassen sich keine Besitzansprüche ableiten!
    »Na, geh mit ihm, wenn du willst«, sagte ich vergrämt.
    Die Joschi lächelte dem Axel zu. »Wir haben echt was zu bereden«, sagte sie. »Vielleicht kommen wir später hin.«
    Der Axel startete noch ein paar Überredungsversuche, dann zog er ab. Die Joschi schaute ihm nach. Ich meinte, bedau-ernden Verzicht in ihrem Blick zu sehen.
    »Ein lustiger Knabe«, sagte sie.
    »Ein geiziger, gieriger, kleinlicher Freak«, sagte ich.
    »So schaut er gar nicht aus«, sagte die Joschi.
    »Keiner schaut aus, wie er ist«, sagte ich. Da jetzt der Axel nicht mehr zu sehen war, wendete die Joschi ihre Aufmerksamkeit wieder dem lausgrauen Strickzeug zu und merkte, daß ihr eine Masche von der Nadel gefallen war, und jammerte nach einer Häkelnadel, um die Masche hochzuholen.
    Ich nahm ihr die Strickerei weg. Im Maschenhochholen bin ich einsame Spitze. Auch ohne Häkelnadel. Die Oma und die Tanten wenden sich immer an mich, wenn irgendwelche Maschen etliche Reihen zu weit unten baumeln.
    Während ich die Masche dorthin brachte, wo sie hingehör-te, erzählte mir die Joschi, was sie von der ehemaligen Johannes-Freundin erfahren hatte:
    Der Johannes Müller senior hatte andauernd Freundinnen gehabt, das hatte seine Frau, die Chefin, gestört. Sie hatte sich scheiden lassen. Und er ging nach Griechenland. Im Sommer arbeitete er als Kellner in einem Touristenlokal.
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    Was er im Winter tat, ist ungewiß. Nach etlichen Jahren kam er zurück, machte ein Griechisch-Dolmetscher-Diplom und übersetzte für griechische Gastarbeiter Dokumente und vertrat sie bei Gericht oder sonstwo, wo sie einen brauch-ten, der für sie verhandeln konnte. Vor zwei Jahren hatte er genug davon und mietete sich in einem Bauernhaus im Waldviertel, in Gfurt, einem kleinen Nest, ein. Dort übersetzt er für ein paar Exportfirmen geschäftliche Angelegenheiten ins Griechische oder aus dem Griechischen. Und der Johannes junior war ihn dort nur zweimal besuchen, weil er nicht weiß, was er mit so einem Mann anfangen soll. Einmal war die Schwester von Joschis Freundin mit, und die fand den Johannes Müller senior ebenfalls sehr merkwürdig. Direkt verlottert! Sie erzählte zu Hause, man könnte diesen Menschen als »Aussteiger« bezeichnen, bloß sei er ja nie ein »Einsteiger« gewesen, darum stimme die Be-zeichnung nicht ganz.

    »Bist du jetzt enttäuscht?« fragte mich die Joschi. Ich schüttelte den Kopf. Etwas Besseres, fand ich, war gegen den Harley-Davidson-Papa gar nicht einzutauschen.
    »Und welche Konsequenzen ziehst du?« fragte die Joschi.
    »Gar keine, vorerst«, sagte ich.
    »Wozu dann das Ganze?« fragte die Joschi.
    »Wissen ist Macht«, sagte ich.
    Die Joschi starrte mich ziemlich lange, ziemlich aufmerksam an, dann rollte sie den lausgrauen Strickfleck über der Nadel zu einer dicken Wurst und sprach: »Dann könnten wir ja eigentlich wirklich zu dieser Fete gehen, oder?«
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    Ich wollte ihr Gegenargumente vortragen, doch da kamen die Tante Truderl und die Tante Lieserl zu uns her, und die Tante Truderl säuselte:
    »Wir haben den Gartentisch für die Jause gedeckt!«
    Die Tante Truderl machte dazu einladende, wegweisende Gesten.
    Soweit ich mich entsinnen kann, wurde bei uns die letzte
    »Jause« zur Einführung von Tante Lieserls Fleischer in die Familie begangen. Ich sprang auf und zog die Joschi hoch.
    »Danke, nein, bitte!« rief ich. »Wir müssen zu einer Party!
    Wir sind ohnehin schon zu spät dran!« Bevor ich die Joschi einer Familienjause auslieferte, ließ ich mich noch lieber auf einen Zusammenprall Joschi-Erbswurstsuppe und einen Minne-Kampf mit dem Axel ein.
    »Aber komm nicht spät heim«, rief mir Tante Truderl nach, als ich mit der Joschi

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