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Olfie Obermayer und der Ödipus

Olfie Obermayer und der Ödipus

Titel: Olfie Obermayer und der Ödipus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Nöstlinger
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und wollte ein Mittagessen. Sie war konsterniert über dieses Ansinnen. »Aber Olferle«, rief sie. »Ich zittere doch jetzt

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    noch am ganzen Leibe! Glaubst, da habe ich ans Kochen gedacht?«
    Sie belegte mir Brote. Gerade als sie die Dinger mit Tuben-senf verzierte, kam die Oma. Die war auch schon informiert. Ich nehme an, telefonisch von Tante Fee oder der Mama. Sie stampfte wie ein Dragonerhauptmann vor mir auf und ab und wollte »die Wahrheit« wissen. Ich sagte ihr die Wahrheit, sie glaubte mir nicht. Ich wiederholte die Wahrheit, sie glaubte mir trotzdem nicht. Wenn alles so wäre, wie ich erzähle, rief sie, hätte es keinen Grund für mich gegeben, aus der Schule zu rennen. Mein Weglaufen zeuge von meinem schlechten Gewissen!
    Meine Oma ist ein schlichtes Kleinbürgergemüt. So sensi-ble, komplizierte Seelenvorgänge wie die, die am Vormittag in der Schule in mir abliefen, sind ihr unverständlich.
    Da braucht man gar keinen Erklärungsversuch starten! Daher sagte ich bloß: »Das verstehst du nicht!«
    Womit ich sie im Glauben an meine »Schuld« bestärkte.
    Sie hielt mir eine Ansprache über die Verwerflichkeit von Drogen und ließ dabei ihre Unwissenheit auf diesem Sach-gebiet nur so sprühen und funkeln. Koks und Hasch und Heroin und LSD waren für sie eine Sorte Teufelszeug. Ihrer Meinung nach hatte man sich mit drei Haschzigaretten den
    »Goldenen Schuß« gegeben, der einem vorgaukelt, fliegen zu können, was einen dazu treibt, ein Fenster im achten Stock zu öffnen und sich in die Lüfte zu stürzen, was aber noch ein schönes Ende ist, weil man ansonsten an durchlö-
    cherten Nasenscheidewänden - vom Sniffen - elendiglich verreckt.
    Ich wollte die alte Schachtel aufklären und hielt ihr auch einen Vortrag. Das Ergebnis war, daß sie mich für einen
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    Vize-Boß der Drogenszene hielt.
    »Ein normales, anständiges Kind in deinem Alter«, argu-mentierte sie, »hat doch von diesen Dingen keine Ahnung!«
    Tante Fee ließ sich von der Brüllerei und Rederei der Oma überzeugen. »O Gott, o Gott, Olferle«, klagte sie, sooft die Oma zwecks Luftholen ein paar Augenblicke schwieg.
    Dann kamen die Tante Lieserl und die Andrea. Die Tante Lieserl kommt oft zu Mittag nach Hause. Wieso meine Schwester auftauchte, weiß ich nicht. Die bleibt über Mittag meistens in Uni-Nähe. Die beiden waren informiert und heischten Aufklärung. Mir war es zu blöd, die ganze Angelegenheit noch einmal herunterzulabern.
    Der Oma war es natürlich nicht zu blöd! Sie stellte der Andrea und der Tante Lieserl den Bruder, beziehungsweise Neffen als Vize-Boß der Drogenszene vor. Die Tante Lieserl reagierte im Tante-Fee-Stil mit mehrmaligen O-Gott-Olfi-Ausrufen. Die Andrea packte mich an der Schulter, beutelte mich und fragte eindringlich:
    »Hast du etwas im Haus?«
    Zuerst wußte ich gar nicht, was sie überhaupt meinte. Erst als sie sagte: »Das müssen wir verschwinden lassen! Wenn die Schule die Polizei einschaltet, machen die glatt eine Hausdurchsuchung!«, wurde mir klar, um was es ihr ging.
    Die Andrea schob mich zu meinem Zimmer hin. Die Oma, die Tante Fee und die Tante Lieserl drängten hinterher. Und die Andrea sagte andauernd Sachen wie: »Jetzt sei vernünftig!« Und: »Blödstellen hat keinen Sinn!« Und: »Du mußt sagen, wo es ist, sonst können wir dir nicht helfen!«
    Einem, der durch amtsärztliche Verwechslung ins Irrenhaus eingeliefert wurde, kann nicht viel anders zumute sein als mir damals!
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    Die vier Weiber entblödeten sich nicht, mein Zimmer nach Staatspolizistenmanier zu durchsuchen, wobei die Andrea mehrmals »Es ist nur zu deinem Schutz« sagte und die Tante Fee mehrmals fragte: »Wie soll denn das eigentlich aus-sehen, was wir suchen?« Tante Lieserl erzählte ihr darauf-hin etwas von »weißem Pulver« und »braungrauen Kügel-chen«.
    Ich stand während dieser Aktion am Fenster und starrte in den Garten hinunter und wunderte mich, wieso mir nicht nach meinem berüchtigten Urschrei zumute war. Ich fand ihn in höchstem Maße angebracht, aber es war überhaupt keine Schreiluft in mir. Viel mehr als einen besseren Meer-sau-Quietscher hätte ich nicht zuwege gebracht.
    Die kramenden Weiber entdeckten ein paar lose Zigaretten in einer Schreibtischlade. Tante Lieserl tat kund, daß es sich um »präparierte Zigarettenstummel« handeln könne. Andrea hielt das für »Unsinn«. Die Oma schlug vor, die Dinger probehalber zu zerbröseln. »Wo tun sie es denn üblicherweise hin?« fragte

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