Olfie Obermayer und der Ödipus
Plastiksackeln aus der Gepäckablage zu holen. Dabei erzählte uns das Mädchen Christerl, daß sie diesmal für »lange« nach Hause zurückfahre. Sonst, sagte sie, komme sie bloß zu den Feiertagen und über manche Wochenenden, nun sei aber ihre Mutter krank geworden und sie müsse die kleinen Geschwister versorgen. Drei gro-
ße Prüfungen, sagte sie, hätte sie im nächsten Monat machen sollen, wie eine Blöde habe sie dafür gestuckt. Und nun sei alles umsonst. Das ganze Semester sei damit verloren. Aber ihre zwei großen Brüder, die könnten natürlich in Wien bleiben, die seien zwar Idioten und dächten gar nicht ans Prüfungmachen, aber dafür seien sie halt Männer!
Der Bahnhof, auf dem wir aus dem Zug kletterten, war ein winziger. Außer uns dreien stieg niemand aus, und außer dem Mann mit der roten Mütze und der grünen Scheibe stand nur ein dicker Mensch, angetan mit einem Förster-Frack, auf dem Bahnsteig. Der winkte zu uns hin und kam auf uns zugerollt. Mit beiden Patschhänden griff er nach dem Kopf vom Christerl - es sah fast so aus, als wolle er ihr
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den Schädel ausreißen -, zog den Christerl-Kopf zu sich und schmatzte etliche Küsse auf die Christerl-Nase. Die Christerl hielt stocksteif still, als der Dicke dann endlich ihren Kopf losließ, wischte sie dezent, aber hurtig die nasse Nase am Jackenärmel ab. Hierauf klatschte der Dicke dem Christerl dreimal auf den Hintern und rief:
»Gar nix mehr dran an dir, Mädel! Scham dich!«
Dann setzte das Christerl dem Dicken unsere angeblichen Großmutter-Schwierigkeiten auseinander. Der Dicke sagte, er werde uns nicht nur ein Stück mitnehmen, er werde uns bis zum Haus vom Müller bringen, weil »so a klana Umweg olleweu drin sei muß!«
Der Dicke bepackte sich mit sämtlichen Gepäckstücken -
uns ließ er nichts tragen - und ging mit uns an den Klohäu-seln vorbei zu einem Parkplatz, und ich war sehr erstaunt, daß wir auf einen großen, nagelneuen Mercedes zuschritten.
Stadtleute, die solche Autos besitzen, schauen nämlich ganz anders als der Dicke!
Meine Angst, der Dicke werde uns wieder allerhand pein-same Fragen stellen, war unbegründet. Total unbehelligt hockten die Joschi und ich, Hand in Hand, im Fond des Mercedes. Der Dicke erzählte dem Christerl von der Krankheit der Mama und von einem Waldstück, das er kaufen wolle.
Dann fuhren wir, da war es schon ein bißchen dämmrig, durch eine kleine Ortschaft, und da bremste der Dicke plötzlich und schob dann im Retourgang drei Häuser zu-rück, bis wir vor einem Haus waren, auf dem »Wirtshaus und Fleischerei Huber« stand. Der Dicke deutete auf drei Autos, die vor dem Gasthof geparkt waren.
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»Hab ich mich doch net geirrt«, sagte er. »Der Müller ist beim Wirten!«
»Sind wir schon in Gfurt?« fragte ich.
Die Christerl erklärte mir, wir seien noch nicht in Gfurt, aber das Gasthaus Huber sei ein in der ganzen Gegend be-liebtes. Und der Dicke sagte, daß unser werter Müller-Onkel gern hier ein Bier trinke.
Ich sagte: »Danke fürs Mitnehmen!«
Die Joschi sagte: »Danke fürs Mitnehmen!«
Der Dicke sagte: »Kein Ursach, gern geschehen!«
Die Christerl sagte: »Habt's es gut!«
Dann waren wir aus dem Auto draußen, der Mercedes wendete vor dem Gasthaus und zischte in die Richtung, aus der wir gekommen waren, ab.
Ich schaute mir die drei geparkten Autos an. Eines war ein neuer BMW. So ein teures Auto traute ich einem armen Übersetzer nicht zu. Eines war ein Ranch-Rover. Der kam mir auch zu kostspielig vor. Außerdem lag auf dem Fahrersitz ein Steirerhut. Der Johannes Müller war in meiner Vorstellung nicht steirerbehütet! Das dritte Auto hatte eine Wiener Nummer. Es war ein uralter Alfa Romeo, eine Giu-lia, Baujahr 70 ungefähr, noch die ganz toll eckige Sorte von Karosserie. Auf dem Rücksitz stand ein großer Karton mit Eiern, daneben lag eine Tragtasche, aus der schaute ein Brotwecken heraus. Als ich den Brotwecken sah, merkte ich, daß ich Hunger hatte.
»Der Alfa ist sicher seiner«, sagte die Joschi.
»Gehen wir rein, ihn suchen?« fragte ich.
Die Joschi schüttelte den Kopf. Auf keinen Fall, erklärte sie, gehe sie da hinein. Das traue sie sich nicht. Ich tat, als fände ich das lächerlich. In Wirklichkeit grauste mir aber
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auch ganz mächtig davor, ins Wirtshaus zu gehen, den Wirt nach dem Herrn Müller zu fragen, auf die bezeichnete Person zuzugehen und dann weiß-der-Kuckuck-was-denn eigentlich zu sagen. Wenn ich mir die Sache genauer
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