Olfie Obermayer und der Ödipus
eine Wohnung zu kaufen, da packte die Oma alle Sachen vom Ottokar in drei große Schrankkoffer und ließ sie von einem Dienstmann zur Adresse vom Fräulein karren. Und das Türschloß von der Haustür ließ sie ändern. Angeblich hat der Großvater Ottokar drei Nächte lang flehend und po-chend vor der Haustür gestanden. Aber er hat nur leise ge-fleht und zart gepocht, weil damals noch mein Urgroßvater im Haus gewohnt hat, und der war fast zwei Meter groß und hat den Ottokar nie leiden können.
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Meine Großmutter verkündet noch jetzt oft ganz stolz: "Ich war die erste Frau in der ganzen Bekanntschaft, die sich scheiden ließ!"
Tante Fee war auch einmal verheiratet. Egon hat der Mann geheißen. Der wurde nicht hinausgeworfen, der wurde tot abtransportiert. Er starb nach drei Ehejahren. Fee redet kaum von ihm, und wenn doch einmal die Rede auf ihn kommt, dann sagt die Oma: "Indiskutabel war dieser idioti-sche Zwerg! Die einzige Wohltat, die er Fee je erwiesen hat, war sein schneller Exitus!"
Meine Mama sagt, an den schlechten Ehen von der Oma und der Fee ist mein Urgroßvater schuld, weil der nicht nur fast zwei Meter groß war, sondern auch sonst eine wahnsinnig dominante Figur, und seine Töchter, die Oma und die Fee, haben alle Männer an ihm gemessen, und keiner hat der Messung standgehalten.
Tante Truderl und Tante Lieserl waren je zweimal verheiratet. Da sie keinen dominanten Papa gehabt haben, müssen diese vier Ehen an etwas anderem gescheitert sein. Woran, weiß ich nicht, denn die Tanten sind jedesmal beim Heiraten ausgezogen und erst nach den Scheidungen wieder zu uns zurückgekommen. Die paar Mal, die ich die Onkel gesehen habe, ist mir nichts Besonderes an ihnen aufgefallen.
Zur Zeit der ersten Partie war ich allerdings noch ein Knirps ohne Urteilsvermögen. Und den zweiten Mann von Tante Truderl habe ich nie gesehen, weil er ein siziliani-scher Olivenhändler war, den sie in Rom kennengelernt hat.
Sie redet von ihm nur als dem "Mafiosi", aber schlecht ab-geschnitten hat sie in der kurzen Ehe nicht. Sie hat einen großen Alfa-Romeo aus der Ehe gerettet, eine echte Luxus-kutsche. Sie behauptet zwar, die Auto-Erbschaft sei ein
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Fluch, weil die Reparaturkosten vom Alfa so hoch sind, aber der Fluch muß ihr doch lieb und wert sein, sonst hätte sie ihn ja schon verkauft; der Vater vom Axel hat ihr dreimal ein gutes Angebot gemacht.
Der zweite Mann von Tante Lieserl hat mir gut gefallen. Er war lustig und hat zweimal mit mir gebastelt. Leider war er Fleischer. Und Tante Lieserl ist damals gerade einer Sekte beigetreten, in der es vegetarisch zugegangen ist. Nicht einmal Eier hat sie essen dürfen. Das hat sich auf Dauer mit der blutigen Fleischerseele nicht vertragen.
Jetzt, wo Tante Lieserl eine Sekte bevorzugt, der es ganz Wurscht ist, ob man Wurst ißt, tut es ihr um den Fleischer leid. Manchmal sagt sie elegisch: "Der Franz war eine gute Haut!" Aber der Fleischer hat vor vier Monaten eine andere Dame geheiratet, eine Fleischerin, weil er geglaubt hat, das sei eine gute Basis für eine Beziehung. Doch - laut Lieserl -
hat er sich geirrt. Er ist unglücklich mit der Fleischerin.
Und trauert dem Lieserl nach. Aber scheiden lassen kann er sich nicht so leicht, weil er einen komplizierten Ehevertrag gemacht hat. Bei dem hat ihn die Fleischerin übers Ohr gehauen. Nach der Scheidung hätte er weniger Hab und Gut, als er vorher gehabt hat.
Meine Mutter hat sehr jung und gegen den Willen der Oma geheiratet. Die Oma wollte, daß sie zuerst fertig studiert und dann einen Mann nimmt. Die Mama hat gemeint, man könne auch als Ehefrau studieren. Was sich in ihrem Fall als Irrtum herausstellte. Nach vier verheirateten Jahren hat sie nichts anderes mehr getan als zwei kleine Töchter hüten und putzen und kochen und bügeln. Davon ist sie stinksauer geworden. Fast jeden Tag - so erzählt es Tante Fee - hat es Streit zwischen der Mama und ihrem Mann gegeben, und
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die Oma hat sich immer am Streit beteiligt; auf seiten ihrer Tochter natürlich. Und Tante Truderl und Tante Lieserl haben der Oma im Streit beigestanden. Ziemlich grauenhaft muß es zugegangen sein! Als die Andrea vier Jahre alt und die Doris zwei Jahre alt waren, hat die Mama sich wieder an der Uni immatrikuliert und ist jeden Tag fleißig studieren gegangen. Die Doris und die Andrea hat sie in einen Kindergarten geschickt. Da war der Mann dagegen. Die Streitereien sind noch ärger geworden. Bei einem Streit dann hat der
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