Oliver Hell - Abschuss (Oliver Hells erster Fall) (German Edition)
selber schutzlos und verletzlich machte. Mit jedem Zug verlor er einen Bauern mehr. Es dauerte nicht mehr lange und er würde sich in offener Schlacht befinden. Sein Inkognito hatte er eingebüßt, ebenso seinen Wagen. Ein Bauernopfer. Nein, nicht einmal das. Ein Bauerntausch. Denn er hatte jetzt den Wagen von Bündgen. Und die Nummernschilder eines auf dem Flughafen geparkten Wagens. Ehe der Urlauber den Verlust bemerkte, wäre schon alles vorbei. Ehe die Polizei es bemerken würde, konnte er wieder sicher unterwegs sein. Bündgens Wagen stand in der Innenstadt. Die Nummernschilder würde er entsorgen, wenn er wieder in Bonn war und die eben entwendeten anbringen.
Am Abend, als er durch die regennassen Straßen spazierte, wurde es ihm bewusst. Er hatte noch zwei wichtige Dinge zu erledigen. Und er wusste, dass es kein Fehler war, sie schnell zu erledigen.
Der Bus, in dem er saß, passierte eben den Einsatzwagen der Polizei, der die Ausfahrt sperren sollte, wenn es nötig wurde. Der Bus wurde von einem Beamten vorbei gewunken. Noch war es heute, noch hatte er Glück. Hesse lächelte. Die Nacht wurde dunkler, als der Bus das letzte erleuchtete Parkhaus hinter sich ließ. Hesse machte die Augen zu und überlegte. Wie lange würde es wohl dauern, bis die Polizei Bündgen finden würde? Eigentlich war das egal. Es verschaffte ihm nur einen theoretischen Vorteil. Was konnte Bündgen schon aussagen? Nichts. Nichts, was die Polizei nicht schon wusste.
Als Klauk in der Innenstadt ankam, war es halb ein Uhr nachts. Ein VW-Bus der Polizei stand vor der Druckerei, etliche Anwohner waren noch auf den Beinen. Die Beamten warteten auf Klauk. Die Schaufenster der Druckerei waren hell erleuchtet. Daher waren die Anwohner auf das Szenario aufmerksam geworden. Klauk parkte den Golf hinter dem VW-Bus. Er stieg aus und ging auf die Beamten zu.
„Da ruiniert einer seinen Laden und seinen Ruf gleich mit“, raunte ihm der eine Streifenpolizist zu.
„N'Abend, Klauk, Kriminalkommissar.“ Er nickte dem Beamten zu und betrachtete die Auslagen. Was er sah, verwunderte ihn nicht einmal sehr. Jemand, höchst wahrscheinlich Hesse, hatte dutzende Exemplare der Bücher mit den zoophilen Darstellungen ins Schaufenster gelegt. Es waren Bücher dabei, die schon bei den Hausdurchsuchungen gefunden worden waren, aber auch einige für die Polizei neue Exemplare. Klauks Blick fiel auf eine bislang unbekannte Buchseite. Hier war ein Mann mit einer Maske zu sehen. Wieder die Werkshalle. Aber nur der Mann. Keine sexuelle Darstellung. Nur der Mann mit der Maske, der etwas beobachtete. Klauk fiel auf, dass er rahmengenähte Schuhe trug.
„So ein verfluchter Schweinkram. Den kennen wir jetzt schon so viele Jahre, aber das der so einer ist. Pfui!“ rief eine der umstehenden Frauen. Sie wollte sich Klauk weiter nähern. Die Polizisten drängten die Frau wieder zurück.
„Der kann seinen Laden zumachen, hier lässt niemand mehr etwas drucken.“
Wenn man schon die halbe Nacht auf der Straße stand, wollten einige wenigstens noch ihre Meinung kundtun. Der eine Polizist forderte die Leute auf, in ihre Wohnungen zu gehen und die Ermittlungen nicht zu behindern. Murrend folgten die meisten der Anweisung. Trotzdem blieben noch zwei Männer in ihren Eingängen stehen und beobachteten die Szene weiter. Einer gestikulierte und sprach, während der andere nur zuhörte und dann und wann nickte.
„Haben sie die Personalien aufgenommen“, fragte Klauk einen der Beamten. Der nickte. Keiner hatte etwas bemerkt, erst als das Licht auch spät nicht ausgegangen sei, waren einige nachsehen gegangen. Der Einsatzwagen der KTU bog gerade in die Straße ein. Klauk erkannte Seib und Kirsch. Sogar im fahlen Licht der Nacht sahen beide übernächtigt aus. Kirsch parkte den Tatortbus, Seib stieg aus. In der Hand hielt er den Durchsuchungsbeschluss.
„Mensch, Kollege, hätte ich das gewusst, was alles auf uns zukommt, ich hätte meinen Urlaub nicht verschoben.“
„Ja, der hält euch gehörig auf Trab, der Herr Hesse. Wer ist auf den Flughafen gefahren?“
„Julia und Peter, Carsten fährt den Schlepper“, antwortete Kirsch und öffnete die Seitentüre des Mercedes Vans.
„Na, dann wollen wir mal.“
Es dauerte einige Minuten, bis die beiden Ermittler ihre weiße Schutzkleidung angelegt hatten. Sie trugen weiße Handschuhe aus Latex und Überschuhe über den Straßenschuhen. Klauk zog sich ebenfalls diese Kleidung an, um den Tatort nicht zu verunreinigen. Dann
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