Oliver Hell - Das zweite Kreuz
sich. Er erkannte das Gesicht auf dem Bild. Die toten Augen irritierten ihn.
„ Adelbergs Frau. Ist sie … tot?“, fragte er mit einem Kloß in der Stimme.
Hell stand mit einem Ruck auf.
„ Ja, für sie ist es keine Farce. Sie hat sich erschossen. Hier in diesem Raum. Direkt hinter ihrem Stuhl. Hier!“ Hell deutete auf die Stelle. Schlug mit der Hand gegen die Lehne des Stuhles, auf dem Livré saß.
Livré zuckte zusammen.
„ Daran hat mein Mandant keine Schuld“, beeilte sich der Anwalt zu antworten.
„ Wer sagt das denn?“, fragte Wendt.
Keiner antwortete.
Genau in diesem Moment öffnete sich die Türe zum Verhörraum. Klauk trat ein. In seiner Hand hielt er eine blaue Aktenmappe.
Hell drehte sich um, nahm die Mappe an sich und dankte Klauk. Er öffnete das Dokument. Sein Gesichtsausdruck veränderte sich unmerklich. Nur Wendt sah die kleinen Nuancen in der Mimik seines Chefs.
Hell setzte sich betont langsam. Er hielt Wendt die Mappe hin. So, dass die beiden Männer gegenüber nichts sehen konnten. Wendt schaute hinein. Sofort wunderte er sich, wie sein Chef so ruhig hatte bleiben können.
„ Was gibt’s denn? Haben Sie neue Erkenntnisse gewonnen?“, fragte von Hundertmarck neugierig.
„ Ja, das kann man so nennen“, fing Hell an zu sprechen, „Herr Livré, sie sagten eben noch aus, sie hätten Günther Adelberg das letzte Mal in Peru lebend gesehen?“
„ Ja, so ist es“, antwortete er. Seine Augen bekamen etwas Lauerndes. Als intelligenter Mensch konnte er sich denken, dass Hell etwas Schwerwiegendes in Händen hielt.
„ Sie sagten ebenfalls aus, dass Sie zu diesem Zeitpunkt weiter in Peru verblieben und erst mit der Nachricht vom Tode ihres Kollegen Peru verließen.“
Hells Blick wurde unnahbar.
„ Ja, das war so, wie ich sagte.“
Hell machte eine kleine Pause.
„ Sie sind ein ordentlicher Mensch, Herr Livré. Zu ordentlich für meinen Geschmack.“
Sein Gegenüber zog die Brauen zusammen.
Er öffnete den blauen Ordner. Darin lag eine Kopie einer Flugbestätigung.
„ Wir wissen, dass Günther Adelberg am sechzehnten Februar den Flieger von Peru nach Deutschland nahm. Und nun schauen Sie mal hier auf diese Kopie, Herr Livré“, sagte Hell und drehte den Aktenordner in die Richtung des Mannes. Sein Anwalt beugte sich nach vorne, Livré selber wagte nur einen kurzen Blick darauf.
Von Hundertmarck schluckte, nahm seinen Mandanten bei der Schulter. Sie flüsterten etwas. Livré zischte etwas in das Ohr seines Anwaltes.
„ Na, gibt es eine Erklärung?“
Auf der Kopie der Flugbestätigung aus dem Jahr neunzehnhundertzweiundneunzig stand der Name Livré. Als Datum war der siebzehnte Februar abgedruckt. Fünf Tage vor Adelbergs Tod, einen Tag nach seinem Flug nach Deutschland.
Livré schwieg.
„ Sie haben diese Unterlagen widerrechtlich erworben“, sagte der Anwalt. In seinem Ton schwang aber schon die Niederlage mit.
Hell holte hinter der Kopie einen Durchsuchungsbefehl für das Haus, die Garage, das Büro an der Uni Bonn und für den Privatwagen des Mannes hervor.
„ Reicht das? Herr Graf von Hundertmarck.“
„ Nun, das beweist rein gar nichts. Dann habe ich eben Peru früher verlassen. Na und?“ sagte Livré.
Hell genoss seinen Triumph. So machte Ermittlungsarbeit Spaß. Noch immer spürte er die Wut in sich, doch ein wenig abgemildert.
„ Zusammen mit der Aussage von Roslana Wlodarczik, die Sie aufs Schwerste belastet, wir eine stabile Mordanklage daraus.“
„ Sie haben nur die Aussage einer Nutte. Mein Anwalt wird sie zerreißen im Prozess“, brüllte er und schaute zu ihm herüber.
Etzard Graf von Hundertmarck teilte nicht die Zuversicht seines Mandanten.
„ Sie haben eben zwei Fehler auf einmal begangen“, sagte Wendt.
Livré starrte ihn verständnislos an.
Hell klappte den Aktendeckel zu, machte bereits Anstalten aufzustehen.
„ Mein Kollege hat den Namen genannt, den nur jemand kennen kann, der sie von früher kennt. Heute heißt die Dame Lindemann. Und ihren ehemaligen Beruf kennen Sie auch“, sagte Wendt, „Dumm gelaufen.“
Auch Wendt stand auf, ging zur Türe. Draußen wartete ein Uniformierter.
„ Bitte geleiten Sie Herrn Livré wieder dahin, wo er hergekommen ist“, sagte Wendt.
„ Damit kommen Sie nicht durch, Sie …“, schrie Livré, als der Beamte ihm die Handschellen anlegte. Sein Pfälzer Dialekt klang in diesem Moment lächerlicher wie nie zuvor.
Wendt grinste.
„ Jaja,
Weitere Kostenlose Bücher