Oliver Hell - Das zweite Kreuz
überhören.
„ Habt ihr noch ein Steak für mich? Ich habe Hunger wie ein Bär.“
Franziska Leck war amüsiert über das Gespräch zwischen Oliver Hell und seinem Sohn. Wenn sie alle Vermutungen außer Acht ließ und völlig auf ihre Intuition verzichtete, selbst dann hätte sie darauf gewettet, dass Oliver Hells Sohn eine Karriere als Polizist in Erwägung zog. Ernsthaft. Nicht nur, um seinen Vater zu irritieren, nein, das schien schon länger in seinem Kopf zu gären.
„ Ja, hol dir einen Teller. Ich bereite dir dein Steak zu“, sagte sie. Mit fahrigem Blick beobachtete Hell die Szene. Hatte er etwas nicht mitbekommen?
„ Ich geh mal kurz ins Zimmer. Bin sofort wieder da“, sagte Christoph und verließ das Esszimmer.
„ Sag mal, was war das denn gerade?“, fragte Hell sofort.
„ Wieso? Was verstehst Du nicht daran? Dein Sohn möchte in deine Fußstapfen treten. Freut dich das nicht?“
Ihr süffisantes Grinsen ärgerte Hell.
Mit einer schnellen Bewegung schob Hell den Sessel nach hinten. „Nein“, sagte er energisch. „Das freut mich wirklich nicht. Wie kannst Du nur so positiv darüber denken?“ Seine Serviette flog auf den Tisch.
„ Ich sehe im Moment nur Folgendes. Dein Sohn sieht dich als Idol. Wenn das nicht das Tollste für einen Vater ist, weiß ich es nicht.“
Sie putzte das Fett aus der Pfanne, stellte den Herd wieder an.
„ Idol? Was für ein Idol? Ein Idol, was täglich seinen Kopf hinhält für irgendwelche Spinner? Was ist denn da so toll dran?“
„ Das weiß ich nicht. Frag ihn. Rede mit deinem Sohn, nimm ihn Ernst. Sag ihm, was Du fühlst, frag ihn, was er fühlt. Eine bessere Ausgangsposition für ein offenes, ehrliches Gespräch erhältst Du nicht mehr. Nutze sie.“
Mit einer runden Handbewegung warf sie das Küchenkrepp in den Mülleimer. Hell schüttelte den Kopf.
„ Mein Sohn ein Bulle. Ich glaube es nicht.“
Christoph kam zurück und hörte nur den zweiten Satz seines Vaters. „Was glaubst Du nicht, Papa?“
Christoph stand vor seinem Vater. Er trug eine kurze Sporthose. Er trug ein Sporthemd. Er trug Hallenfußballschuhe. Er sah den erstaunten Blick der beiden vor sich und schaute an sich herunter.
„ Achja, ich hatte dir ja gesagt, dass wir spielen werden. Ich habe mich dann schon mal umgezogen. Erst das Steak verputzen, dann verputze ich dich, alter Mann.“ Er lachte laut.
„ Ich glaube, ich habe nur noch Irre um mich“, sagte er und zog seinen Sohn an sich, „Nimm deinen Mund nicht so voll, Sohn. Ich bin gut in Form.“
Franziska zog mit einem Glücksgefühl die Schultern hoch. Sie packte das Steak aus dem gewachsten Papier und freute sich diebisch.
Kapitel 8
N 50° 42‘ 30‘‘ E 07° 10‘ 35‘‘
Hell griff gerade nach seiner Brötchenhälfte, die er mit köstlichem Cheddar belegt hatte, als das Telefon klingelte.
„ Hell“, meldete er sich. „Was? Informieren Sie Wendt und Klauk. In einer Stunde im Präsidium.“ Neuer Brief, formten seine Lippen in Franziskas Richtung. Er legte auf.
Franziska schaute interessiert. „Ein neuer Brief ist aufgetaucht. Sie schaffen ihn in die KTU. Hast Du Interesse mitzukommen? Sorry, aber ich muss hin. Tut mir echt leid.“
Sie nickte. „Sicher. Ist doch mal was anderes.“
Hell war froh über ihre Reaktion. Er biss in sein Brötchen. „Danke.“
„ Weißt Du, was ich denke?“, fragte sie leise.
„ Was?“
„ Ich denke, ihr werdet heute eine Leiche finden.“
Hell stutzte. Er befürchtete, sie könnte Recht haben. „Wie kommst Du darauf?“
„ Der Fall ist bislang recht unspektakulär. Keine Toten. Das ist nicht normal für dich. Du ziehst sonst immer viele Tote an. Denk mal nach, wie wir uns kennengelernt haben. Hesse. Oder denk an Agayer.“
„ Das stimmt nicht, wir hatten schon ein Beinahe-Opfer, und die Frau eines der Entführten ist verstorben.“
„ Ich meine spektakuläre Tote. Du verstehst mich schon, Oliver.“
„ Hmh.“
Sie trafen sich im Präsidium. „Ich habe schon mit der KTU telefoniert“, sagte Wendt, als Hell ins Büro trat.
„ Und?“
„ Eine neue Koordinate, sie haben schon herausgefunden, wohin es geht.“
„ Mensch, lass dir nicht alles aus der Nase ziehen, Jan-Philipp.“
„ Die Adresse ist das Beerdigungsinstitut von Olbrichs. Direkt auf seinem Gelände.“
Es war nicht schwer zu erraten, was sie dort erwarten würde.
„ Franziska hat es vorhergesehen“, sagte Hell nachdenklich.
„ Was?“
„ Wir sprachen eben darüber,
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