Oliver Hell - Der Mann aus Baku (Oliver Hells zweiter Fall) (German Edition)
Krankenhaus auf dem Venusberg eingetroffen, und man habe mit der Behandlung begonnen. Es ging ihr schlecht, sagte die Frau am Telefon. Der Notarzt hatte die Habseligkeiten der Frau untersucht, und dabei die Visitenkarte von Dr. Beisiegel auf dem Nachttischchen gefunden.
Um halb acht hatte das Reinigungspersonal an der Tü re geklopft. Als niemand antwortete, hatte die russische Putzfrau die Türe geöffnet. Sofort war ihr aufgefallen, dass in der Dusche noch das Wasser lief. Als sie die Türe zum Bad öffnete, fand sie Dr. Pütz auf dem Boden liegend vor. Die nackte Frau lag auf dem Rücken, die Beine hingen noch halb in der Dusche. Eine kleine Blutlache war unter dem Kopf zu sehen.
Die Put zfrau stieß einen schrillen Schrei aus. In Panik verließ sie fluchtartig das Zimmer. Mit rudernden Armen brüllte sie den ganzen Flur entlang um Hilfe. So wie es immer war, kannte sich keiner in Erster Hilfe aus. Schließlich fand sich unter den Gästen im Frühstücksraum einer, der eine Ausbildung zum Ersthelfer hatte. Er konnte wenigstens feststellen, dass die Frau nicht tot war. Beinahe zeitgleich mit dem Mann im Zimmer von Dr. Pütz kam auch schon der Rettungswagen an.
Der Sanitä ter hastete mit seinem Notfallkoffer in den Aufzug und dann den Gang entlang. Der Ersthelfer machte ihm sofort Platz und murmelte etwas von einem Herzinfarkt. Der Sanitäter sah die Blässe der Frau, fühlte ihren Puls und bestätigte den Verdacht auf einen Herzinfarkt.
Er betrachtete k urz die Kopfwunde. Das Blut war schon eingetrocknet. Eile war geboten. Die Frau war ohne Zweifel durch den Infarkt ohnmächtig geworden, und hatte sich bei dem folgenden Sturz aus der Dusche die Kopfverletzung zugezogen. Je nachdem wie lange sie schon dort lag, wurde es lebensgefährlich für sie. Der zweite Sanitäter, und der Notarzt brachten die Bahre. Der Arzt bestätigte die Vermutung des Sanitäters. Er legte sofort eine Infusion mit einem blutverdünnenden Mittel.
„ Wie lange liegt sie schon so da?“, fragte er.
Der Sanitä ter zuckt mit den Schultern. „Das kann hier keiner mit Bestimmtheit sagen. Aber das Blut ist schon angetrocknet“, sagte er, und deutete auf die Kopfwunde.
Der zweite Sanitä ter blickte sich im Hotelzimmer um. Dort fand er auf dem Bett noch die Rohypnol liegen. Er zeigte die Blisterfolie dem Arzt. Der schaute nur kurz drauf.
„ Nicht alle? Sonst keine mehr woanders?“ fragte er kurz, der Sanitäter schüttelte verneinend den Kopf, „Trotzdem Gas geben. Magen auspumpen. Sie muss sofort ins Krankenhaus. Die sollen alles für einen Myokard vorbereiten. Kann sein, wir brauchen einen Stent.“ Wegen der nur wenigen der Folie entnommenen Tabletten vermutete er keinen versuchten, aber missglückten Suizid. Aber er konnte ihn auch nicht wirklich ausschließen.
Zehn Minuten spä ter jagte der Rettungswagen mit Blaulicht und Martinshorn durch die Stadt und hinauf zur Klinik auf dem Venusberg.
„Stellen Sie sich vor, Dr. Pütz ist heute Morgen ins Krankenhaus gebracht worden“, berichtete sie dem ebenfalls überraschten Hell.
„ Was hat sie?“, fragte er, und strich über den Rand seiner Kaffeetasse.
„ Verdacht auf Herzinfarkt. Mehr hat man mir auch nicht gesagt.“
Dr. Beisiegel klemmte sich das Mobilteil des Telefons zwischen Kopf und Schulter. Sie blä tterte gedankenverloren in der Akte. Die Forensische Abteilung in Bonn war besonders spezialisiert auf Schusswunden. Unten in der Kühlkammer lag jetzt ein Mann, der in der Nacht eingeliefert worden war. Das war ihre nächste Aufgabe für den Morgen. Dabei würden ihre Gedanken sicher bei ihrer Kollegin im Krankenhaus sein. Hatte sie sich deshalb am Vortag so merkwürdig verhalten? Hätte sie etwas sagen sollen? Sie ließ ihre Gedanken weiter wandern.
„ Halten Sie mich auf jeden Fall auf dem Laufenden“, sagte Hell, der die Sekunden des Schweigens brach.
Dr. Beisiegel zuckte zusammen. Richtig, sie telefonierte ja noch. Sie bestä tigte Hell seinen Wunsch und beendete das Gespräch.
Oliver Hell hielt den Hö rer noch eine Weile in der Hand. Dann legte er ihn auf die Station. So schnell konnte es gehen. Gestern stand die Frau noch gesund und munter vor ihm, heute lag sie auf Leben und Tod im Krankenhaus. Er nahm sich fest vor, Dr. Leck bei der nächsten Gelegenheit endlich seine Gefühle zu gestehen. Das Leben war zu kurz, um weiter zu zögern. Er würde nicht mehr kneifen. Er wollte kein emotionaler Versager mehr sein.
*
Agayer wurde von Behrend Ufuk Badak
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