Oliver Hell - Der Mann aus Baku (Oliver Hells zweiter Fall) (German Edition)
Stromschlag. Nichts. Bange Blicke untereinander.
Der dritte Stromschlag.
„Da ist sie wieder. Gottseidank. Was hat die Blutprobe ergeben?“, fragte wieder die weibliche Stimme aus der Notaufnahme.
„ Kein starker Infarkt, aber mindestens bereits drei Stunden her. Vielleicht vier. Achja, kein Verdacht auf Suizid übrigens. Minimale Spuren von Rohypnol.“
„ Ok, sofort für die OP fertigmachen. PTCA und Stent. Sorgen Sie bitte dafür, dass ich scharfe Bilder bekomme.
Eine Viertelstunde spä ter schielte die Doktorin unter ihrer grünen OP-Maske hervor und sah auf dem Bildschirm, wie sich der kleine Ballon aufblähte, und die Gefäßwand weitete. Über die Arterie in der Leiste wurde ein Katheder eingeführt, bis in das betroffene Herzkranzgefäß. Die Ablagerungen schienen weich zu sein. Der Ballon öffnete den Verschluss. Sie entschied sich gegen die Implantation eines Stents. Falls sich die Arterie wieder zusetzen würde, könnte man die Gefäßstütze immer noch implantieren. Stents wurden nur bei bereits verkalkter und dadurch brüchiger Herzarterie eingesetzt. Die Arterien von Dr. Pütz hingegen waren noch weich.
Um elf Uhr lag Dr. Pü tz in einem hellen Einzelzimmer auf der Intensivstation. Der Venenkatheder, der in ihrem linken Arm steckte versorgte sie weiter mit Heparin. Dies wurde zur Blutverdünnung gegeben. Vor ihrer Nase hing wieder eine Nasensonde, die ihr permanent Sauerstoff zuführte. Hinter ihr an der Wand stand ein Überwachungsmonitor, der ihren Puls und die elektrische Herzaktivität anzeigte. Der rhythmische Ton hatte die Ärzte beruhigt. Sie war wohl über den Berg. Doch hätte das Gerät direkt Alarm geschlagen, wenn sich an der Herzfrequenz, dem Herzrhythmus, der Sauerstoffsättigung oder beim Blutdruck etwas geändert hätte.
Dr. Pü tz schlug die Augen auf.
„ Wo zur Hölle bin ich denn hier?“, fragte sie sich benommen. Sie blickte sich um. Ihr wurde sehr schnell klar, sie befand sich in einem Krankenhaus.
„ Hallo, willkommen im Leben“, sagte jemand mit leiser Stimme neben ihr, „Nicht erschrecken, Frau Kollegin, ich bin‘s.“
Carola Beisiegel setzte sich auf dem Stuhl etwas nach vorne, sodass Dr. Pü tz sie sehen konnte.
„ Hallo, was ist geschehen?“, murmelte sie benommen.
„ Sie hatten einen Infarkt. Aber es scheint alles glimpflich abgegangen zu sein.“
„ Aha. Schöne Scheiße.“
Mehr konnte sie nicht sagen. Ein Infarkt. Das hatte ihr noch gefehlt. Die Tragweite dieser Information drang gar nicht bis zu ihrem Bewusstsein durch . Eins aber fiel ihr sofort auf. Sie sah das Zimmer. Sie sah ihre Kollegin. Aber sie hatte noch keinen Gegenstand gezählt. Sofort schlief sie beruhigt wieder ein.
Dr. Beisiegel saß noch eine Weile am Bett der Kollegin. Dann verließ sie das Krankenhaus und teilte Hell mit, dass es Dr. Pütz den Umständen entsprechend gut gehen würde. Ihr Kommentar hatte jedenfalls wieder Ähnlichkeit mit der Frau, die sie aus den gemeinsamen Semestern an der Uni her kannte.
*
Gegen halb zwölf erhielt Hell einen Anruf von Gauernack. Es gäbe am Abend eine Kontaktaufnahme mit dem verdeckten Ermittler. Dies sei ein routinemäßiges, natürlich heimliches Treffen, und man könne noch nicht bestätigen, ob man sich in Bezug auf die Mordfälle in Bonn mit dem Mann treffen könne.
Fü r Hell war die Sache erst einmal gegessen. Er hatte genug Erfahrung mit verdeckten Ermittlungen und deren Geheimhaltungsproblematik. Da ließ man sich nicht gerne von anderen Behörden in die Karte schauen, und so manche kriminelle Handlung wurde nie verfolgt. Der Ermittlungserfolg zählte, sonst nichts.
Hell holte sich einen Automatenkaffee. Nachdem er wieder in sein Bü ro zurückgeschlendert war, fand er dort Meinhold vor. Sie stand am Fenster, wirkte rastlos.
„ Hallo Christina.“
„ Hallo Chef, ich bin noch einmal wegen des Lehrganges hier.“
„ Ok. Ich habe noch keinen Entschluss gefasst. Das kommt mir zu kurzfristig“, antwortete er.
„ Ja, verstehe ich. Aber ich muss es dringend machen. Eigentlich hat der Lehrgang bereits begonnen. Aber ich habe dort angerufen. Wenn ich eine Empfehlung von Ihnen persönlich und vom Staatsanwalt bekäme, dann könnte ich noch einsteigen.“
Hell mochte es nicht, wenn er so zwischen Tü r und Angel vor eine Entscheidung gestellt wurde.
„ Christina“, sagte er und setzte sich, „Selbst wenn ich jetzt zusagen würde, und gäbe Ihnen meine Empfehlung, wer schließt dann ihre Lücke? Ganz abgesehen davon, dass
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