Oliver Hell - Gottes Acker (German Edition)
bevorsteht, grinsend vor mir steht und mich anlacht. „Verarscht!“
„ Ihr hattet auch eure Probleme, erinnere dich“, sagte Franziska.
„ Ja, die hatten wir. Ich hätte ihm oft eine reinhauen mögen. Doch war er eine bekannte Größe, ich wusste, wie er tickt.“
Franziska beobachtete ihn. „Und dieser Überthür? Wo kommt er eigentlich her?“
„ Weißt Du was, das kann ich dir nicht einmal sagen. Ich möchte es auch gar nicht wissen, wenn ich ehrlich bin. Er soll wieder verschwinden. Brigitta Hansen ist auch eine strenge Oberstaatsanwältin. Aber sie ist wie Gauernack es war, sie ist meist fair. Ich möchte in der heutigen Welt nicht ihren Job machen.“
„ Empfindest Du keine Trauer? Keine Wut?“
Hell wagte einen kurzen Seitenblick. Er spürte ihren Psychologenblick auf sich haften. Aber es war ihm nicht unangenehm.
„ Wegen Gauernack? Sicher spüre ich Wut. Aber er ist mir nie so nah gewesen, wie einer aus meinem Team. Wäre es Wendt oder Meinhold, ich würde durchdrehen.“
„ Verstehe ich gut.“ Sie runzelte die Stirn, „Hätte es Überthür erwischt, was dann?“
„ Würde ich einen Sekt öffnen“, sagte er lachend.
„ Was für sachliche Gründe hat er denn gegen dich vorgebracht?“
„ Er sagt, meine Berichte seien schlampig.“
„ Ist das alles?“
„ Ich habe ihm erklärt, dass wir zu viel zu tun haben. Das hat er nicht gelten lassen. Er erwarte korrektes Arbeiten von einem leitenden Beamten.“
„ Damit hat er doch aber Recht. Von seiner Warte aus.“
Hell fuhr herum. Plötzlich wusste er nicht, auf wessen Seite Franziska stand. Misstrauen keimte in ihm auf.
„ Warum sagst Du das so?“, fragte er irritiert.
„ Weil ich dich jetzt seit einem halben Jahr sehr gut kennengelernt habe und der Oliver Hell, den ich glaube zu kennen, sich nicht von einer Kritik an seiner Art Berichte zu schreiben, hätte irritieren lassen. Es stimmt irgendetwas sonst nicht, sonst wärst Du nicht so dünnhäutig. Deshalb sage ich das so.“
Hell verstand, was sie sagen wollte. Das Misstrauen verschwand wieder und wurde von Ungewissheit abgelöst. Sollte er ihr seine Gedanken offenbaren? Seine Selbstkritik, die er spürte? Dass er sich überfordert fühlte?
„ Das alles war vielleicht ein wenig viel auf einmal“, sagte er. Er hielt seine Aussage im Vagen. Sollte sie doch was dazu sagen.
„ Was wäre, wenn Du mit offenen Karten gespielt hättest? Wenn Du ihn gebeten hättest, einen der Fälle abgeben zu dürfen?“
Hell spürte sofort den Widerwillen in sich aufsteigen. Nein, das wäre nicht in Frage gekommen.
„ Das wäre ein Eingeständnis der Unfähigkeit gewesen. Nein, das hätte ich nie tun können“, sagte er heftig den Kopf schüttelnd.
„ Lieber tust Du dir diese Skrupel an und bist nicht im Vollbesitz deiner Kräfte, weil Du dich gleichzeitig auf zu viele Details konzentrieren musst. Das ist typisch Mann, Oliver.“
„ Es geht nicht um typisch Mann oder typisch Frau. Es geht um eine vertrackte Situation, die wir auch in den Griff bekommen werden. Ich bin ja nicht alleine, mein Team steht voll hinter mir.“
„ Das stelle ich auch gar nicht in Zweifel. Dein Team ist klasse, jeder einzelne von ihnen. Aber dieser Staatsanwalt ist dein Problem. Wenn ich den Typ richtig einschätze, ist er karrieregeil und wird sich auf Kosten deiner Person profilieren wollen.“
„ Dann soll er mal kommen, der kleine Wichser“, sagte Hell aggressiv.
„ Siehst Du, das ist genau der falsche Weg. Du musst ihn cool abservieren. So cool, wie ich dich kenne, Oliver Hell!“
„ Und was ist, wenn ich im Moment nicht so cool sein kann?“, fragte er. Sie bemerkte an seinen Worten, wie tief der Selbstzweifel in ihm saß.
„ Ich bin für dich da. Ich helfe dir, die Zweifel zu besiegen. Du musst nur alles rauslassen, was dich beschäftigt. Ich vermute, da ist noch etwas.“
Ihr Blick ruhte weiter auf ihm. Nicht fordernd, beinahe mild. Hilfsbereit. Hell sprang über die Schwelle und berichtete davon, dass ihm in der letzten Zeit der Gedanke des Öfteren gekommen sein, mit der Leitung des Teams überfordert zu sein. Er zählte ihr die Versäumnisse auf, die ihm alleine bei der Untersuchung des Golfplatzes unterlaufen war. Sie hörte aufmerksam zu.
„ Du hast es nicht versäumt. Hättest Du es versäumt, hättest Du es gar nicht getan. Aber Du hast es getan, weil Du deine Ergebnisse nachbereitet hast. Also, was soll das? Das sind keine Gründe, als Teamleiter versagt zu haben. So ein Quatsch.
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