Oliver Hell - Gottes Acker (German Edition)
Schwarm Fliegen. Er konnte kein Licht anmachen, denn vor der Türe hatte er einen Zivilfahnder in einem Auto entdeckt. Daher musste er auch durch die Hintertüre in das Haus gelangen. Auch die Hintertüre war kein Problem gewesen.
Jochheim gab sich eine Viertelstunde Zeit. Bis dahin musste sein Job hier beendet sein. Er stellte die kleine, schwarze Schultertasche auf dem Küchentisch ab und öffnete den Überwurf. Mit geübtem Auge blickte er sich in dem Raum um. Ein Lächeln flog über sein Gesicht.
*
Als Hell nach Hause gekommen war, machte er sich einen Tee und warf einen Blick in die Tageszeitung. Er konnte gerade soeben den Wunsch bekämpfen, sich auf die Couch zu legen. Er wäre sofort eingeschlafen. Und hätte sehr wahrscheinlich seinen Spaziergang in den Rheinauen verpasst.
Nachdem er seinen Tee getrunken hatte, entkleidete er sich im Schlafzimmer und stellte sich kurz drauf unter die Dusche. Das Wasser war lauwarm. Er hielt seinen Kopf unter das perlende Nass. Er wünschte sich, das Wasser könne seine negativen Gedanken wegwaschen. Das klappte nicht. In ihm war seit dem Streit ein Gefühl aufgetaucht, was er nicht kannte. Nicht so.
Er hatte an sich und seine Arbeit immer einen hohen Qualitätsanspruch gehabt. Und heute hatte er das erste Mal Nachlässigkeiten gezeigt. War er unkonzentriert? Wenn ja, warum? Lenkte ihn Franziska zu sehr ab? Die letzten Jahre hatte er keine Partnerin gehabt, an die er mit solchen Gefühlen gedacht hatte. Verdrängte die Liebe seinen klaren Verstand? Seine Analysefähigkeit und seine berühmte Starrsinnigkeit?
Hatte Überthür vielleicht sogar Recht mit seiner Kritik? Diese Gedanken hatte er schon die ganze Fahrt von Bonn aus gehabt. Er dachte an seinen Beinahe-Unfall. Irgendetwas stimmte nicht. Hell wusste nicht, wie viel Zeit er noch hatte. Er wollte sich nicht verspäten.
Er seifte sich ein und duschte sich ab. Mit einem frischen Hemd fühlte er sich bereits ein wenig besser. Um viertel nach acht parkte er seinen Mercedes in der Nähe des Post-Towers. Von dort waren es nur ein paar Schritte bis an den Rhein. Er fühlte sich wach. Und seine Laune hatte sich ebenfalls gebessert.
Fünf Minuten später sah er einen Volvo langsam über einer der Bremsschwellen rollen, die den Verkehr beruhigen sollten. Er erkannte ihr Fahrzeug. Franziska winkte ihm zu. Sie parkte ihren Volvo direkt hinter Hells Mercedes.
Hell war schon an ihrer Türe und begrüßte sie stürmisch. Sie trug ein kurzes Sommerkleid und sah entspannt aus.
„ Wie war die Fahrt?“, fragte er, nachdem er sie leidenschaftlich geküsst hatte.
„ Für einen Freitag ganz passabel.“
„ Gehen wir direkt los?“
„ Sicher.“
Hell war froh, Franziska bei sich zu haben. Er hakte sich bei ihr ein und sie gingen hinunter an den Rhein. Auch hier war immer noch viel los. Es gab weniger Jogger, dafür aber mehr Spaziergänger. Er wünschte sich, in der Menge der anonymen Begegnungen unterzutauchen und seine Probleme abzustreifen.
An einer Stelle konnte man bis an den Fluss gelangen. Sie stiegen über die großen und kleinen Flusskiesel hinweg.
„ Wasser hat immer etwas Beruhigendes, findest Du nicht auch?“, fragte er.
Sie schaute ihn prüfend an. „Du scheinst Dir Sorgen zu machen?“
„ Ja und nein“, antwortete er.
„ Aha. Erzähl.“
Hell sah Franziska an. Wo sollte er anfangen? Er entschloss sich chronologisch vorzugehen und begann mit dem Mord an Schnackenberg und der dämlichen Aktion von Demian Roberts. Dann berichtete er über Königer, den schrecklichen Sturm, über die Tatort-Untersuchung auf dem Golfplatz, den Mann mit der Machete, den keiner gesehen hatte. Zwischendurch stellte ihm Franziska ein paar kurze Fragen, die er beantwortete. Sie beabsichtigte nicht, ihn zu unterbrechen, doch benötigte sie zum besseren Verständnis einige Details.
Abschließend streifte er nur die mutmaßliche Entführung von Demian Roberts, um sich dann über seinen Streit mit Staatsanwalt Überthür auszulassen.
„ Wieso dürft ihr den Mord an einem Kollegen nicht selber aufklären? Oder wenigstens beteiligt bleiben?“, fragte Franziska. Sie kannte die Antwort, doch wollte sie Hells Antwort hören.
„ Weil sich das BKA in solchen Fällen immer einklinkt.“
„ Und wie geht es dir damit?“
Hell blickte auf einen großen Flusskiesel zu seinen Füßen. „Wie geht es mir damit? Ich wünsche mir, dass es alles ein großer Scherz war und Gauernack morgen bei der Pressekonferenz, die uns womöglich
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