Oliver Hell - Gottes Acker (German Edition)
standen Bücherregale. Im Vorrübergehen sah Hell nur englische Titel. Hier stand die scheinbar weniger wichtige Literatur. Vermutlich.
Sie erreichten das Schlafzimmer. Eberth machte nur eine einladende Handbewegung. Überthür stürmte hinein. Sofort legte er sich seine Hand über Nase und Mund.
Nein, dachte Hell, der Tote konnte noch keinen Verwesungsgeruch ausströmen. Das hätte man bereits auf dem Flur gerochen. Vor allem bei der Hitze der letzten Tage. Überthür war geschockt vom Zustand der Leiche. Womöglich war es sogar seine Erste.
Er trat hinter dem Staatsanwalt in das Schlafzimmer. Gernot Winkmüller saß auf seinem Bett. Auch Hell spürte, wie Übelkeit in ihm aufwallte.
Er atmete ein paarmal tief durch den Mund ein und aus. Jeder Ort eines Suizids hatte seine eigene Tragik. Sprach eine unterschiedliche Sprache. Manchmal war der innere Kampf, den der Mensch vor seiner Verzweiflungstat, mit sich ausgefochten hatte, noch sichtbar. Manchmal war alles sehr schnell gegangen. Dieser Ort sprach nur eine unglaubliche Brutalität aus.
Der Tote hatte sich in den Mund geschossen. Mit einer großkalibrigen Waffe. Der Kopf war nach vorne gesackt und man konnte sehen, dass der gesamte hintere Schädel fehlte. Blut, Haar, Schädelfragmente und das Gehirn waren fächerförmig an der Wand oberhalb des Bettes verteilt. Überthür würgte und drängte sich wieder an Hell und Eberth vorbei aus dem Raum. Er lief den Gang entlang und suchte nach einer Toilette. Er öffnete eine Türe nach der anderen, bis er schließlich das Bad gefunden hatte. Dann hörte man ein Würgen.
„ Der ist aber noch neu im Job“, sagte Eberth und deutete mit dem Daumen in die Richtung, aus der die Würgegeräusche kamen.
„ Es scheint so“, antwortete Hell knapp. Überthür interessierte ihn nicht. Dieser Ort interessierte ihn. Hell schloss die Augen und versuchte sich daran zu erinnern, was er gesehen hatte. Dieser Ort hatte etwas Inszeniertes, nichts war so, wie er es bei anderen Selbsttötungen gespürt hatte.
„ Was sagt dir das hier alles?“, fragte er Eberth.
„ Was meinen Sie?“
„ Ich weiß nicht. Irgendetwas stimmt hier nicht. Das sieht alles aus, wie in einem billigen Krimi. Das Leben ist kein Krimi. Hier haben wir einen gutsituierten Doktor, der seinem Leben ein Ende bereitet. Ob der wohl daran denkt, dass sein Tod möglichst gruselig aussieht? Oder ballert er einfach drauf los?“
„ Was für eine Frage. Er ballert los. Schließlich ist das ja der letzte Schritt im Leben“, antwortete Eberth.
„ Und wieso sieht hier alles so gestellt aus?“
Hell drehte sich um und trat an das Geländer. „Kollegen, kommt ihr bitte mal eben nach oben?“
Dann ging er wieder zurück in das Schlafzimmer. „Der Abschiedsbrief? Wo ist der?“
Eberth zeigte auf eine große Kommode, die an der Stirnseite des Zimmers stand. Hell ging hinüber und zog sich ein paar Untersuchungshandschuhe an. Dann nahm er den Asservatenbeutel auf. Eberth hatte das hervorragend gemacht. Wie er es von ihm gewohnt war. Er strich das Plastik glatt, um besser lesen zu können.
Er begann den Brief zu lesen, als Meinhold das Schlafzimmer betrat. Auch sie wich erschrocken einen Schritt zurück.
„ Chef, ich habe den Kühlschrank und die Tiefkühltruhe gecheckt. Er hat Vorräte für mehrere Wochen gebunkert“, sagte sie, nachdem sie sich gefasst hatte.
„ Hmh, sagte Hell und las weiter den Abschiedsbrief, „Was sagt dir der Tatort.“
„ Sie meinen das Pfauenrad?“
„ Was? Pfauenrad?“, fragte Hell, der plötzlich sehr unkonzentriert erschien, weil er den Abschiedsbrief weiterlas.
„ Ich glaube … es nicht“, stotterte er, „Wisst ihr … was er in seinem Abschiedsbrief geschrieben hat?“
Hell bekam weiche Knie. Konnte alles so einfach sein?
„ Was?“, fragte Rosin, die mit Klauk das Zimmer betreten hatte.
Hell erinnerte sich später daran, in ihre geschockten und angewiderten Gesichter geblickt zu haben, als er die entscheidenden Zeilen aus dem Abschiedsbrief vorlas. Auch erinnerte er sich danach an ihre ungläubigen Blicke.
„… daher kann ich mit den beiden Morden auf meinem Gewissen nicht mehr weiterleben und habe mich deshalb für den Freitod entschieden. Die Polizisten, die meinen Tod untersuchten, werden die Machete in einer Truhe im Keller vorfinden. Die Waffe in meiner Hand benutzte ich bei Jan Schnackenberg …“
Er ließ den Beutel sinken. „Wisst ihr, was das bedeutet?“
„ Hat er Schnackenberg und Königer
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