Oliver Hell - Gottes Acker (German Edition)
der Blitz aufzuckte, schloss Rosin für Sekundenbruchteile die Augen.
Eingewickelt in einer großen Plastiktüte lag ein weiterer Gegenstand. Er nahm die Tüte heraus, fotografierte sie. Darin lag etwas Flaches. Schon bevor Seib die Tüte öffnete, war Rosin klar, dass darin die Mordwaffe lag.
Die Bolo-Machete.
Und noch etwas kullerte aus der Tüte und rollte quer durch den Keller. Die beiden schauten dem Golfball hinterher, der erst dann stoppte, als er die schwarze Plastikplane erreichte.
*
In den Morgenstunden zog langsam ein Wolkenfeld in Richtung Westerwald. Wendt hatte schon Regen befürchtet. Jetzt war es wieder völlig wolkenlos. Sein Schädel schmerzte immer noch ein wenig. Die Nachwehen der letzten Nacht. Es war halb zehn und Wendt hatte Durst. Wäre er, wie ein braver Polizist, früh aufgestanden, um sich einen Kaffee zu kochen und ihn in seine Thermoskanne zu füllen, dann hätte er nun etwas zu trinken gehabt. Aber Wendt war erst um halb vier nach Hause gekommen und hatte zwei Stunden geschlafen. Die Flasche Coca Cola, die er noch im Kühlschrank gefunden hatte, leerte er mit einem letzten Zug. Er warf sie neben sich in den Fußraum. Wendt hatte wirklich keine gute Laune an diesem Tag. Keiner der Kollegen hatte ihn angerufen, um ihm die neuesten Entwicklungen in den Fällen mitzuteilen. Dabei musste er sich eingestehen, sie auch nicht kontaktiert zu haben. Bis um halb drei hatte er in einer Diskothek herumgehangen und sich die jungen Hähnchen angeschaut, die versuchten, ihre gleichaltrigen Frauen zu begeistern. Meistens vergebens. Wendt hatte sich insgeheim über sie amüsiert und beinahe über ihre Fehler applaudiert. Bis ihm auffiel, dass er genauso einsam war. Er bekam auch nichts auf die Reihe. Außer ein paar One-Night-Stands hatte er keine Beziehung aufzuweisen. Nicht in den letzten Jahren. Seine letzte längere Beziehung war fünf Jahre her. Seitdem hatte er sich mit der Behauptung über Wasser gehalten, dass er diesen Zustand ja jederzeit ändern konnte.
Nix da, selbst wenn er es wollte. Es fand sich niemand, der es mit ihm ausgehalten hätte. Ihm haftete mittlerweile der Ruf eines Don Juan an den Fersen, wie Mist an den Hufen einer Kuh. Dabei wäre er glücklich gewesen, diesen Zustand zu ändern.
Dabei half ihm auch sein Beruf nicht. Wenn die Kandidatinnen mitbekamen, dass er Kriminalbeamter war, so war das nur so lange interessant, bis sie die Arbeitszeiten und die Gefahr witterten, die der Beruf mit sich führte. War es noch sinnvoll Polizist zu sein? Diese Frage stellte er sich oft. Vor allem in den durchzechten Nächten. Der Schar der Polizisten, die den Rechtsstaat verteidigten, stand eine immer besser organisierte und ausgerüstete Armee von Verbrechern gegenüber. Die arbeiteten nicht nur im Inland, sondern zunehmend auch aus dem Ausland. Sehr gut organisiert und zu allem bereit. Hell hatte es am eigenen Leib erlebt, wie weit diese Banden gingen und wie sie vernetzt waren.
Ein weniger skrupelloser Killer als Mashad Agayer hätte Hell getötet. Dann wäre Wendt jetzt vielleicht Leiter der Mordkommission Bonn. Wahrlich, Verbrechen lohnte sich. In gleichem Masse, wie die Banden der Verbrecher aufrüsteten, rüsteten die Dienststellen ab. Mehr Arbeit verteilt auf weniger Beamte. Kein Wunder, dass dabei der eine oder andere Fall auf der Strecke blieb, weil die Manpower fehlte. Es fehlte den Ländern an Geld, Dienststellen wurden zusammengelegt, Dezernate geschlossen. Im Rheinland, sowie auch im Rest von Nordrhein-Westfalen. Durch die große Bevölkerungsdichte wurde hier nur so weit gekürzt, wie es verträglich war. Doch auf dem Land sah es anders aus.
Als Wendt zur Kripo kam, waren in seinem Dezernat pro Teamleiter mindestens fünf Mitarbeiter beschäftigt, manchmal mehr. Heute sah es auch hier anders aus.
Hell hatte das große Glück, mit ihm, Klauk, Meinhold und Rosin gleich vier Mitarbeiter im Team zu haben. Unter seinem früheren Vorgesetzten sah das anders aus. Ihre Arbeitsbelastung wuchs in dem gleichen Maß, wie sich die Kräfte verringerten. Kollegen wurden verrentet, aber es kam kein Ersatz für sie.
Wendt und Hell waren sich einig, dass sie spätestens dann, wenn der Rechtsstaat vor der organisierten Kriminalität in die Knie ging, das Handtuch werfen würden. Keiner von ihnen hatte Lust, sich bei der Ausübung seiner Pflicht umbringen zu lassen. Und wie schnell es gehen kann, hatte Meinhold letztes Jahr schmerzvoll erfahren. Zwei Zentimeter tiefer und es wäre aus
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