Oliver Hell - Gottes Acker (German Edition)
Herkunft wurden im Vergleich mit ihren marokkanischen Kollegen benachteiligt. Nicht nur das, sie wurden systematisch gemobbt.
Eine UN-Delegation, die sich 1975 im Lande aufhielt, hatte prognostiziert, dass eine freie Westsahara – damals lief gerade die Entkolonialisierung der ‚Spanischen Sahara‘ – zu den größten Phosphorproduzenten der Welt aufsteigen könnte.
Genau das war der springende Punkt. Eine freie Westsahara. Der Staat war nicht frei. Er wurde ausgebeutet. Die Küsten des Landes zählten zu den fischreichsten in ganz Afrika. Es wurde außerdem unter vorgehaltener Hand gemunkelt, dass in den besetzten Gebieten auch sehr ergiebige Erdölvorkommen vermutete wurden.
Das alles geschah unter den Augen aller Welt. Doch waren die Augen scheinbar geschlossen. Westsaharas Wirtschaft hätte eine goldene Zukunft vor sich gesehen.
Doch soweit kam es nicht, denn Marokko besetzte das Gebiet nur wenige Monate später. Für Marokkos Staatskasse resultierte daraus ein nicht zu vernachlässigendes Einkommen. International sanktionierter Diebstahl. Die UN zeigte sich mal wieder als das, was sie war: ein unbeweglicher Riese ohne jeglichen Einfluss gegen die Machenschaften der internationalen Wirtschaft.
Klauk schüttelte den Kopf. Was sollte man dagegen tun? Die Frage wurde in den Raum geworfen, ohne dass Klauk auch nur den mickrigsten Ansatz einer Lösung hätte denken können. Manchmal kam man sich als Mensch ganz schön verarscht vor. Ihm ging es in dieser Hinsicht nicht anders als Millionen anderer. Nur wurde es ihm gerade brutal bewusst. Er wechselte zurück auf die Suchergebnisse bei Google. Dort fand er noch einen Artikel, der sich mit der Rolle der Frente Polisario beschäftigte.
Während der ganzen Zeit gab es eine bewaffnete Auseinandersetzung zwischen der Frente Polisario - die Polisario ist eine Unabhängigkeitsbewegung, die die Unabhängigkeit des gesamten Territoriums von Westsahara anstrebt - und Marokko.
Die Frente Polisario hatte 1976 die ‚Demokratische Arabische Republik Sahara‘ ausgerufen. Und sie hatten durchaus Erfolge in ihrem Kampf gegen die Besatzer. In den Achtzigerjahren wurden die Minen wie auch die Förderanlagen bei Anschlägen durch kleine, mobile Gruppen immer wieder beschädigt. Dies führte zu Produktionsstopps. Alles, was den Marokkanern schadete, war gut für das eigene Land.
Die Angriffe auf die Produktionsanlagen endeten erst mit dem Waffenstillstandsabkommen von 1991. Dennoch wurden seither immer wieder Sabotageangriffe auf das Förderband verübt, unter anderem auch im September 2007. Unaufgeklärt blieb bis heute auch der Mord an drei Aktivisten, von denen vermutet wurde, hinter dem Anschlag des Jahres 2007 gesteckt zu haben.
Hier spätestens rastete der Bolzen ein. Klauk bekam sofort heftiges Herzklopfen. Jetzt, übermüdet am Abend, schien er wirklich etwas gefunden zu haben
„ Ich habe zwei Probleme“, sagte Klauk, als er das Klicken in seinem Kopf bemerkt hatte.
Meinhold und Rosin hörten ihm gar nicht zu. „Hört ihr Süßen? Ich habe zwei Probleme“, wiederholte er.
Rosin schaute auf. Klauk fiel auf, dass auch sie wirklich alles andere als taufrisch ausschaute.
„ Bist Du jetzt bei einhundert Prozent“, versuchte sie zu scherzen.
Klauk rieb sich sein linkes Auge. „Hmh, glaube schon. Ich habe einen unaufgeklärten Mord aus dem Jahre 2007. Und ich habe drei Tote“, fügte er nach ein kleinen Pause noch hinzu.
„ Wo?“, fragte Meinhold sofort.
„ Westsahara. Es geht um den bewaffneten Kampf der Polisario gegen die marokkanischen Besatzer und speziell um Anschläge auf ein gigantisches Förderband. Drei Mal dürft ihr raten, was dieses Förderband transportiert!“
Klauk spürte die Anspannung im Blick der beiden Kolleginnen. Er kostete diese Neugier aus. Ein fieses, kleines Lächeln umspielte seine müden Züge.
„ Sag schon, Penner“, rief Rosin im Scherz und hob drohend einen Stift vom Tisch auf.
Klauk grinste. „Phosphor. Das Scheiß Förderband transportiert Phosphor.“
„ Polisario? Phosphor?“, fragte Meinhold. Ihre Stimme klang rau und kratzig.
„ Kommt rüber, ich zeige euch das alles“, antwortete Klauk und winkte beide, ein bisschen stolz auf seine Arbeit, zu sich herüber.
*
So sah es aus. Natürlich hatte er sich Sorgen gemacht. Doch so richtig tiefgreifend schlich sich die Angst noch nicht an. Warum sollte er auch die Sache übertreiben? Schließlich tat er genau das, was man von ihm erwartete: Schmiere stehen und
Weitere Kostenlose Bücher