Oliver Hell - Gottes Acker (German Edition)
verspüre“, sagte Hell.
Überthür schaute zu ihm herüber. „Druck ist gut, Druck hilft. Er macht uns schlagkräftig. Weil er unser Denken beflügelt. Wir müssen schnell herausfinden, woher dieser vertrackte Emitter stammt.“
Hell glaubte seinen Ohren nicht zu trauen. Auch Rosin und Klauk schauten ein wenig verwirrt. War das wirklich der überhebliche, anmaßende Mensch, den Hell ihnen beschrieben hatte?
„ Wie ist eigentlich der Stand in Sachen ‚Oskar‘?“, wollte Überthür dann plötzlich wissen. Er schob den Daumen gegen seine Lippen.
„ Es gibt eine Menge Hinweise aus der Bevölkerung auf das Phantombild, aber keiner hat uns bisher irgendwie weiter gebracht“, sagte Rosin.
„ Okay“, antwortete Überthür nur. Sie hatte gehofft, dass er wenigstens eine weitere kleine Reaktion zeigen würde. Doch die blieb aus.
„ Wir sehen uns morgen früh wieder. Haben wir Glück, gibt es bis dahin neue Hinweise. Ich werde dann ebenfalls nach Hause fahren und die letzten Tropfen eines exzellenten portugiesischen Whiskeys genießen.“
Er verschwand, ohne sich groß zu verabschieden.
„ Der war ja richtig nett“, sagte Klauk.
„ Ja“, antwortete Hell, „Ihr solltet aber nie jemanden unterschätzen, der sich noch präsentieren muss. Ja, er war nett. Zu nett sogar. Er wird uns noch sein wahres Gesicht zeigen. Wartet es nur ab.“ Es war ein äußerst harmloser Vorschlag. Doch Hell fügte die Brisanz mit seinen Worten hinzu.
*
Donnerstag.
Lars Königer war einer der renommiertesten Wirtschaftsprüfer in Bonn. Er selber hätte sich als den Besten bezeichnet. Königer war von sich überzeugt. Sein Erfolg gab ihm Recht.
Das Haus schlief noch. Die Kaffeemaschine brummelte ihr morgendliches Lied. An jedem Donnerstag während der Sommermonate traf sich seine Frühstücksgruppe der Bonner Unternehmer auf dem Golfplatz. Zum Vertiefen von Geschäftsbeziehungen. Heute waren einige neue, interessante Kontakte angemeldet. Königer freute sich auf sie. Neue Interessenten. Neue Klienten. Neue Verdienstmöglichkeiten. Noch mehr Reichtum.
In der Diele stand der Golf-Caddy bereit. Er stützte sich auf den Rand des runden Designer-Waschbeckens und kämmte sich mit der rechten Hand sein Haar. In die dunklen Locken mischten sich bereits einige graue Strähnen. Seine Frau fand es attraktiv, er selber meinte, es würde ihn alt machen. Er bildete sich ein, dass seine Kunden ihm weniger Kompetenz zutrauten, wenn er nicht mehr jung und dynamisch erschien.
Kritisch betrachtete er sein Gesicht. So langsam würde es Sinn machen, sich einer Korrektur der Falten zu unterziehen. Er öffnete den Mund und zog mit zwei Fingern an der Haut auf seiner Wange. Königer beschloss, direkt heute seinen Golf-Kollegen darauf anzusprechen. Simon Herre war Schönheitschirurg. Sicher ließe sich da ein Deal aushandeln. Er setzte seine dunkle Hornbrille auf, nachdem er sich noch etwas Haargel in die Haare gestrichen hatte.
Seine Frau und seine Tochter schliefen noch, als sich sein Audi A8 langsam über die Ausfahrt auf die Straße bewegte. Königers Ziel an diesem Morgen war der Golfplatz Clostermannshof in Niederkassel. Man erwartete die Bonner Wirtschaftsgruppe dort um sechs Uhr mit einem kleinen, exquisiten Frühstück.
Die Sonne war schon lange aufgegangen an diesem Morgen, stand aber noch sehr tief. Königer musste blinzeln. Daher kramte er aus der Mittelkonsole eine andere Brille. Die modische Ray Ban Sonnenbrille stand ihm, machte ihn jünger. Ein prüfender Blick im Rückspiegel bestätigte es.
Für den Weg nach Niederkassel hatte er mehr als genug Zeit. Es war viertel nach fünf.
*
Oliver Hell wurde an diesem Donnerstag schon sehr früh wach. Niemand lag neben ihm. Er hatte sich schon so sehr an die Anwesenheit von Franziska an den Wochenenden gewöhnt, dass er ihre Abwesenheit während der Woche als schmerzlich empfand. Keine gleichmäßigen Atemzüge neben sich. Er drehte sich noch einmal herum und schaute in die Dämmerung.
Immer wieder hatte er in der Nacht denselben Traum gehabt. ‚Oskar‘ hatte der Polizei ein neues Video geschickt. Kein Mord, eine Frau wurde von der Kamera beobachtet. Man sah nicht das Gesicht der Frau, nur langes Haar. Braun. Gepflegt. Als sie sich umdrehte, endete das Video abrupt. Das Gesicht blieb ein Geheimnis.
Es war kein Alptraum. Hell machte es klar, dass ihm diese Geschichte näher ging, als der Tod von Staatsanwalt Gauernack. Warum auch immer. Er setzte sich auf, streckte sich ausgiebig und
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