Oliver Hell - Gottes Acker (German Edition)
Eiern, dass sie sich bettelnd auf dem Boden wanden.
Christoph hatte schon vor geraumer Zeit seinen Vater mit dem Wunsch, Polizist zu werden, ins Schlingern gebracht. Doch an diesem Morgen hatte er Oliver Hell vor beinahe vollendete Tatsachen gestellt. Seine Aufnahmeprüfung für den Polizeidienst war in sechs Wochen. Anfang August konnte er als Nachrücker die Prüfung ablegen und im September mit der Ausbildung beginnen. Wenn er die Prüfung bestand.
„ Papa, Du weißt doch, wenn ich etwas wirklich will, dann schaffe ich es auch“, sagte Christoph und biss genüsslich in sein Frühstücksbrötchen.
Hell war geschockt. Was er sich für seinen Sohn erhofft hatte? Nicht in den Polizeidienst zu treten, das hatte er sich für ihn erhofft. Noch bis vor einem halben Jahr hatte er sich halbwegs auf der schiefen Bahn befunden. Drogen. Es stand kurz vor knapp, dass er in die Kriminalität abgerutscht wäre.
Doch dann hatte es sich gedreht. Zum Guten gedreht.
„ Warum willst Du ausgerechnet Polizist werden?“
„ Warum denn nicht? Ich habe doch ein perfektes Vorbild in dir.“ Christoph schenkte sich ein Glas O-Saft ein.
„ Nein, ich bin kein Vorbild. Man hat auf mich geschossen, man hat mich vor ein paar Monaten beinahe umgebracht, wenn Du dich erinnerst, Christoph. Die Polizei ist kein Ponyhof.“
„ Ich habe gesehen, wie dich der Agayer und seine Kollegen zugerichtet hatten, erinnerst Du dich, Papa?“
„ Ja, aber das ist doch kein Grund sich in Gefahr zu begeben! Nein, das ist es nicht. Du kannst doch was studieren, vielleicht Tiermedizin. Du magst doch Tiere.“
„ Papa, Du klingst wie der Vater aus dem Ärzte-Song „Junge“. Mensch, das ist so peinlich“, sagte er und schüttelte seinen Kopf. Er stand auf und trank seinen O-Saft mit einem Zug aus.
„ Ich will nur nicht…“, stotterte Hell.
„ Ich dachte Du bist stolz auf mich, wenn ich dasselbe mache wie Du. Aber Du scheinst mir beinahe eifersüchtig zu sein“, sagte Christoph und stand auf, „Ich muss jetzt los, ich treffe mich mit einem Freund. Mach‘s gut, Papa. Bis heute Abend.“
„ Ich bin nicht eifersüchtig. Ich möchte nur nicht, dass dir etwas passiert“, rief er seinem Sohn hinterher. Doch der hatte sich seine Tasche geschnappt und Sekunden später klappte die Haustür zu.
„ Verdammter Mist“, sagte Hell laut vor sich hin. Er hatte aber nicht mehr viel Zeit sich zu ärgern, denn das Handy klingelte.
Hell nahm das Gespräch an. Es war halb acht. Die Temperatur fing bereits wieder bedrohlich an zu klettern. Hell bestätigte brummend, was ihm der Kollege am Telefon berichtete. Er machte sich mit krakeliger Schrift eine Notiz auf einem Block.
Als er das Haus verließ, hatte er die Notiz vergessen. Golfclub Clostermannshof stand auf dem Zettel, der noch in der Küche auf dem Tresen lag.
*
Dr. Simon Herre fuhr herum, als er den Schrei vernahm. Die junge Frau, mit der sich Lars Königer die ganze Zeit unterhalten hatte, rannte ihm entgegen. Von dem kleinen Birkenwäldchen aus kommend. Sie schrie und schrie und schrie. So müssen sich Todesschreie anhören, dachte Herre. Er ließ den Golfschläger sinken. Die junge Frau, deren Namen er vergessen hatte, kam mit panikgeweiteten Augen auf ihn zu. Sie fuchtelte mit den Händen, zeigte beim Laufen auf das Wäldchen und schrie weiter. Als sie schließlich atemlos vor ihm stand, stürzte sie ein paar dürre Worte hervor. „Er ist tot. Er liegt im Gebüsch und ist tot. Überall ist Blut. Er ist tot! Es ist entsetzlich! Wir müssen die Polizei holen!“, schluchzte sie keuchend. Sie beugte sich wie in einem Krampf nach vorne und ballte die Fäuste, dass die Knöchel weiß hervortraten. Dann musste sie sich übergeben.
*
Schwarz, still und unbenutzt. So stand der Golfcaddy von Lars Königer vor dem Birkenwäldchen. Dr. Simon Herre stützte den Kopf auf die Hände, als Oliver Hell sich über das Grün, dem mit dem Flatterband abgesperrten Bereich, näherte. Vor dem Band standen Polizeibeamte mit ihren Notizblöcken, die versuchten, von den Unbeteiligten Golfern Aussagen zu ergattern. Ein Arzt kümmerte sich um Marita Felten.
Hell musterte den Mann, der wie eine Fahnenstange auf dem Grün des Platzes stand. Er hatte noch nie ein Wort mit dem Mann gewechselt, doch wenn er ehrlich war, so machte der Mann keinen sympathischen Eindruck auf ihn. So ein schmieriger Finanzheini, der mehrmals am Tag sein Hemd wechselte. Also ließ er sich gerne von dem Polizeibeamten ablenken, der ihn zu der
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