Oliver Hell - Gottes Acker (German Edition)
Leiche führen wollte.
„ Was sind das hier alles für Menschen?“, fragte Hell den jungen Beamten.
„ Welche meinen Sie, Herr Kommissar?“ Er blickte beim Gehen über die Schulter. Unauffällig.
„ Zum Bespiel den dort oben und die Frau, die bei dem Arzt sitzt?“
„ Der Mann ist Arzt, Schönheitschirurg. Dr. Herre ist der Name. Die Frau hat den Toten gefunden, sie hat einen heftigen Schock erlitten. Der Notarzt wird sie ins Krankenhaus einweisen. So habe ich es gehört.“
Hell fühlte sich in seinem Urteil bestätigt. Schönheitschirurgen waren die Finanzhaie unter den Ärzten. So dachte der Kommissar mit finsterer Aufrichtigkeit.
„ Ich verstehe. Wer ist der Tote?“, fragte Hell und verzog den Mund. „Man sagte mir, er hieße Lars Königer. Er hatte keine Papiere bei sich. Die sind sicher in seinem Auto.“
„ Beruf?“
„ Wirtschaftsprüfer.“
Sie erreichten den Golfcaddy und Hell machte einen Schritt über einen auf dem Boden liegenden Ast. Keine zwei Meter weiter lag jemand auf dem Boden. Hell kniebelte die Augen zusammen. Der junge Polizist blieb stehen, dreht der Leiche den Rücken zu. Der Tote lag auf dem Rücken, der Oberkörper war über und über mit Blut besudelt. Die toten Augen blickten staunend in den Morgenhimmel.
Hell brauchte einige Sekunden, um zu erkennen, dass der Mann eine große Wunde am Hals erlitten hatte. Eine Schnittwunde. Nur eine. Doch die hatte ihm beinahe den Kopf vom Rumpf getrennt. Und noch einige Sekunden später erkannte Hell, was ihn stutzig machte. Das Helle, was im Hals des Opfers steckte, war nicht der freigelegte Kehlkopf. Es war vielmehr ein Golfball. Rot klebte das Blut in den kleinen Vertiefungen.
Hell schluckte. Jemand hatte sich tatsächlich die Zeit genommen, dem Toten den Ball in die Wunde zu stecken. Kaltblütig. In einem Zustand völliger Kontrolle. Letzteres war natürlich reine Spekulation. Aber im Moment widersprach dieser Theorie nichts.
Hell verließ den Ort, an dem der tote Wirtschaftsprüfer lag. Er wollte keine Spuren verwischen.
„ Wann kommen die KTU und die Gerichtsmedizin?“, fragte Hell.
Der Polizist zuckte mit den Schultern. „Ist informiert“, sagte er lakonisch.
Hell blieb stehen und schaute zu dem Schönheitschirurgen herüber. Dann zu der jungen Frau, die noch immer leichenblass neben dem Arzt auf dem Boden saß. Gehoppt wie gedoppt, wen er zuerst fragen sollte. Reichlich unmotiviert ging er zu der Frau herüber.
Rosin, Wendt und Klauk tauchten eine halbe Stunde später auf. Zusammen in einem Auto. Hell war froh, dass er die Verhöre der anderen Golfspieler aus dem Wirtschaftsforum weiter delegieren konnte.
Er selbst hatte sich mit Bedacht der Frau genähert. Marita Felten war wieder in der Lage zu sprechen. Trotz der Unsicherheit und Unruhe, die sie wie ein unsichtbarer Mantel umgaben.
„ Wie furchtbar. Ich habe noch nie einen Toten gesehen. Und dann so etwas…wer tut einem Menschen so etwas an?“, fragte sie mit verheulten Augen.
„ Das vermag ich Ihnen nicht zu beantworten. In welchen Verhältnis standen Sie zu dem Toten?“, fragte Hell und versuchte auf den Zustand der Frau Rücksicht zu nehmen.
Sie blickte ihn hohl an. „Verhältnis? Wir hatten überhaupt kein Verhältnis. Wir haben zweimal telefoniert. Ich bin heute in seinem Namen von der Bonner Wirtschaftsgruppe zum Golfen eingeladen worden. Das ist im Sommer so. Golfen statt Frühstück in einer Location. Ich bin Werbegrafikerin und hatte mir berufliche Kontakte erhofft. Nicht das hier…!“
Sie fasste sich an die Stirn. In Anbetracht dessen, was sie eben erlebt hatte, waren ihre Ausführungen klar und ausführlich. Hell beobachtete verstohlen, wie der Arzt langsam ungeduldig wurde. Die Frau war seiner Ansicht nach nicht vernehmungsfähig.
„ Wissen Sie denn, wer mir mehr über den Mann sagen kann?“
Sie nickte zu dem Chirurgen herüber.
„ Vielen Dank, Frau Felten“, sagte Hell freundlich zu der jungen Frau. Mit gutem Grund verabschiedete er sich, denn zusammen mit einem Einsatzwagen der KTU kam auch eben Dr. Plasshöhler an.
Das hatte Priorität. Hell ging zu dem Birkenwäldchen zurück und begrüßte die Ermittler und den Gerichtsmediziner.
Hell beobachtete zwei Sekunden lang das Gesicht von Dr. Plasshöhler. Er sah sehr wohl das Stirnrunzeln. Der Arzt beugte sich nach vorne. Er musste immer noch bei einigen seiner Einsätze mit dem Ekel kämpfen. So wie am Anfang seiner Karriere. Er war auch nicht derjenige, der sonst die
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