Oliver Hell - Gottes Acker (German Edition)
Decke. Er hatte sich dagegen entschieden, die Eltern von Jan Schnackenberg im Büro zu befragen. Er wollte ihnen die Tatortbilder ersparen, die auf den Glastafeln hingen. Daher stand er jetzt vor dem Verhörraum, atmete einmal tief durch. Dann ergriff er die Klinke und öffnete die Türe.
Unentschlossen hatte er einige Minuten hinter der Glasscheibe gestanden. Hatte abwechselnd die Wut und die Trauer auf den Gesichtern der beiden Eltern gesehen. Jetzt bemühte er sich, möglichst mit Distanz zu dem, was er eben gesehen hatte, auf die Eltern zuzugehen.
„ Guten Tag, mein Name ist Kommissar Oliver Hell. Ich danke Ihnen recht herzlich für ihr Herkommen“, sagte er und reichte beiden die Hand.
Der Ausgangspunkt war sehr einfach. Dort saßen die Eltern des Toten. Er war derjenige, der ihnen einige quälende Fragen stellen wollte. Das befürchteten sie.
Daher war der Blick der beiden belegt. Nicht nur besorgt. Hell setzte sich und kaute noch an den Worten, die er gleich nutzen würde.
Doch dazu kam er nicht.
„ Was ist mit unserem Sohn passiert? Bitte, sagen Sie uns doch die Wahrheit“, flehte ihn Frau Schnackenberg an. Sie nahm die rote Brille mit den schmalen Gläsern von der Nase und strich sich zitternd mit den Fingern über die linke Augenbraue. Dann versank ihr Kopf in den Händen.
„ Bitte!!“ Eindringlich klangen die Worte. Ihre kurz geschnittenen, grauen Haare standen ihr wirr vom Kopf ab.
„ Ihr Sohn ist ermordet worden. Soviel steht bereits fest. Trotzdem es eine Menge potentielle Zeugen geben müsste, hat keiner den Täter gesehen oder die Tat beobachtet. Wie müssen auf die Ergebnisse der Spurensicherung warten, bis wir genaue Details bekanntgeben können.“
Hell hörte sich selber reden und musste innerlich den Kopf schütteln. Würdest Du wollen, dass man so mit dir als trauernden Eltern spricht, fragte er sich. Das ordentlich zu machen, hast Du nach all deinen Dienstjahren immer noch nicht gelernt.
Herr Schnackenberg hatte bisher geschwiegen. Hohlwangig hatte er Hell zugehört. Bevor er anfing zu sprechen, bebte sein ganzer Körper.
„ Hat mein Sohn leiden müssen?“, fragte er.
Wie sollte Hell das beantworten? Keiner hatte den Todeskampf miterlebt. Meist war ein Schuss in die Stirn sofort tödlich.
„ Nein“, sagte er trotzdem, „Ich bin mir sicher, er hat nichts gespürt.“
Die Eltern von Jan Schnackenberg schauten sich an. „Siehst Du, der Kommissar sagt es auch.“
„ Das beruhigt mich nicht. Ich werde nachher den Gerichtsmediziner noch einmal befragen. Das ist nichts gegen Sie, Herr Kommissar. Verstehen Sie mich da bitte nicht falsch. Aber ihr Job ist es, die Täter zu fangen. Wie die letzten Sekunden meines Sohnes ausgesehen haben mögen, das kann ein Mediziner sicher genauer erklären.“
„ Ja, so ist es wohl“, antwortete Hell, der sich bei seiner Lüge ertappt fühlte.
„ Du kannst dem Kommissar sicher glauben, Henriette“, sagte ihr Mann kleinlaut.
„ Das tut jetzt nichts zur Sache, was ich wem glaube, Friedhelm.“
Wut und Trauer. Trauer und Wut. Gefühle, die einander abwechselten. So hatte es Hell schon hinter der Scheibe gesehen. So erlebte er es nun auch hier.
Er schaltete das Mikrofon ein und erklärte den Eltern, dass das Gespräch nun aufgezeichnet würde.
„ Wenn es Ihnen Recht ist, dann kommen wir jetzt einmal zum Grund Ihres Hierseins. Können Sie sich vorstellen, wer Ihren Sohn ermordet haben könnte? Hat er jemanden erwähnt, der ihn bedroht hat? Kennen Sie jemanden mit dem Namen ‚Oskar‘?
Beide schüttelten mit dem Kopf. „Nein“, sagte Friedhelm Schnackenberg.
„ Unser Sohn war überall beliebt. Auf der Arbeit, in seinem Sportverein. Bei seinen Freunden. Das muss ein Wahnsinniger gewesen sein, der so etwas tut“, ergänzte seine Frau.
„ Hatte er Probleme auf der Arbeit mit einem Kunden erwähnt?“
„ Unser Sohn hat meist mit großen Firmen verhandelt. So einfache Leute wie wir hätten dort keinen Kredit erhalten. Nein, er hat nichts dergleichen erwähnt oder Henriette?“
Sie schüttelte nur den Kopf.
„ Hatte ihr Sohn eine Freundin?“
Beide sahen sich an und fingen zeitgleich an zu sprechen, hielten aber sofort inne. Friedhelm Schnackenberg machte eine Handbewegung, daraufhin sprach seine Frau weiter.
„ Unser Sohn tat sich mit Frauen immer sehr schwer. Nein, ich bin mir sicher, er hatte im Moment niemanden. Dabei hatte ich mir so sehr Enkel gewünscht…“ Der Satz endete in einem Tränenmeer. Schnackenberg nahm
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