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Olivia: Manchmal kommt das Glück von ganz allein (German Edition)

Olivia: Manchmal kommt das Glück von ganz allein (German Edition)

Titel: Olivia: Manchmal kommt das Glück von ganz allein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jowi Schmitz
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Walfischboot, in dem wir wohnen«, sagte ich.
    Mein Vater stand an Deck und versuchte mit kalten Fingern die Leiter festzubinden. Ich kletterte hinterher und führte ihm einen Schielenden Nelie vor.
    »Der macht es einem wirklich leichter«, sagte mein Vater. »Aber heißt das Boot denn nun ›Walfisch‹ oder ›Mama‹? Das hast du doch im Hafen gesagt.«
    »›Mama‹ ganz bestimmt nicht!«
    An meinem Geburtstag hatte ich beschlossen, meinen Vater in Zukunft John zu nennen. Also musste meine Mutter Hannah sein. Oder Mutter. Mutterfigur, zur Not. Mama war für Babys.
    »Aha.« Mein Vater kontrollierte, ob alles gut befestigt war. »Aber taufen müssen wir es. Getaufte Boote sollen angeblich Schutz bieten, heißt es.«
    Dann stieg er die Leiter hinunter, ging durch den Garten zur Küche, die zum Friseursalon gehörte, und kam kurze Zeit später mit einem Verlängerungskabel zurück. Er wickelte es langsam ab. »Fünfzehn Meter«, sagte er. »Eigentlich ist es nicht fürs Freie gedacht, aber wir brauchen Licht.«
    »Und einen Ofen.«
    »Es ist nur vorläufig«, murmelte mein Vater.
    Mamaboot. Walfischboot. Beides war nicht richtig. Als hätte das Boot bereits einen Namen, an den ich mich nur zu erinnern brauchte.
    »Wenn du dir was ausdenken willst«, hat meine Mutter immer gesagt, »musst du deinen Gedanken freien Lauf lassen. Dann fällt es dir von selbst ein.« Ich stellte mich aufs Vordeck, genau dorthin, wo ich beim Segeln gestanden hatte, und hoffte, dass sie recht hätte.
    Mein Vater legte das Verlängerungskabel in die Kombüse, kam zu mir und nahm mich in den Arm. Weit oben standen wir: Von hier konnten wir über den Zaun auf die Straße schauen. Zu unserer Rechten war der Salon und darüber drei weitere Stockwerke. Nur im mittleren brannte Licht.
    Auf der anderen Straßenseite trippelte eine feine Dame vorbei, neben ihr ein Pudel, der genauso kleine Schritte machte. Sie bemerkte uns nicht, der Pudel schon. Er sah rasch herüber und schnüffelte dann an irgendwelchem Schmutz auf dem Bürgersteig herum. Die Frau zog ihn weiter.
    »Tiere sehen uns, aber für Menschen sind wir unsichtbar«, sagte ich. Mein Vater schloss die Augen und murmelte: »Wo ist sie bloß?« Er tastete nach meiner kalten Nase und zwickte sie.
    »Nee, wir zwei sehen uns schon.«
    »So ein Glück aber auch.« Er zwickte mich noch mal in die Nase.
    Ich sagte: »Superpraktisch, dass du den großen Rucksack in den Friseursalon geschleppt hast. Jetzt kannst du ihn gleich wieder an Bord hieven.«
    »Du bist ein Witzbold, Krump.« Er tat, als wollte er mich umschubsen, hielt mich dabei aber gut fest.
    Dann sagte er leise: »Bin ich froh, dass wir zusammen hier sind.«
    Davon wurde mir gleich viel wärmer.

 
    6
     
    In den Pausen stand ich immer an derselben Stelle neben der Eingangstür der Schule. Dort wuchs eine Kletterpflanze, die ich mir genau ansah. Weil da nämlich viele kleine Krabbeltiere darauf waren. Vielleicht würde ich später Biologin werden, dann könnte ich genau bestimmen, was das für Tierchen waren. Läuse wahrscheinlich. Und Zecken. Kleine Spinnen. Dann wüsste ich die lateinischen Namen.
    Von dieser Stelle aus konnte ich Milena und ihre Freundinnen beobachten. Sie wollten an einem Tanzwettbewerb im Fernsehen teilnehmen und übten jeden Tag. Ohne Musik sah es bescheuert aus, fand ich. Richtig affig.
    Zufällig kann ich tanzen, sogar ziemlich gut, weil Netties Mutter Tanzlehrerin war. Einmal sagte sie sogar, dass ich begabt sei. Und dass sie mit der Begabung etwas vorhabe. Stattdessen war sie weggezogen.
    Seltsam, wie manche Dinge einfach so vorbei sein können. Als würde jemand mitten in einer Geschichte den Mund zumachen und weggehen. So war das mit Umzügen. Man hielt den Mund und machte ihn erst wieder auf, wenn man woanders war.
    »Hallo, Ratte«, rief mich eine von Milenas Freundinnen.
    »Ja?« Dass ich auf Ratte reagierte, war etwas, worüber ich lieber nicht nachdachte. Früher hatten mich die blödesten Kinder »Olle Bolle« genannt. Aber nur aus Spaß. Nettie nannten sie Fettie. Einfach so, weil es sich reimte. Und immer nur, wenn wir nicht dabei waren. Ich meine, wenn sie mit mir redeten, sagten sie einfach »Olli« und nie Olle oder Bolle.
    Ich versuchte, möglichst vertieft auszusehen.
    »Milena will wissen, ob du tanzen kannst.«
    Ich zuckte die Schultern. Hinter dem Mädchen hörte ich ein Kichern.
    »Du kannst es mir ruhig ehrlich sagen.«
    Als ob wir befreundet wären.
    »Geht dich gar nichts an«,

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