Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Olivia: Manchmal kommt das Glück von ganz allein (German Edition)

Olivia: Manchmal kommt das Glück von ganz allein (German Edition)

Titel: Olivia: Manchmal kommt das Glück von ganz allein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jowi Schmitz
Vom Netzwerk:
und ließ die Luft wieder heraus. Das mit dem Hochpumpen und Herunterfahren machte ich so lange, bis mein Vater um die Ecke lugte. »Sie ist weg«, sagte er.
    »Na toll!«, antwortete ich. Es klang ziemlich heiser.
    Danach schwiegen wir. Ich stieg mit ihm ins Boot und legte mich ins Bett. Das kaputte Kleid war verschwunden. Im Dunkeln lauschte ich dem Atem meines Vaters.
     
    Am nächsten Tag fühlte sich mein Hals an, als würde eine Scheuerbürste drin stecken.
    Zuerst musste ich furchtbar husten, und dann war meine Stimme weg. In der Schule machte das nichts, mich fragte sowieso keiner was.
    Abends machte mir mein Vater eine Tasse Brühe. Ich wusste nicht, ob ihm überhaupt klar war, dass ich nicht mehr sprechen konnte. Also schrieb ich in mein TRESemmé-Heft: Meine Stimme ist weg ,und zeigte es ihm. »Na toll!«, brummte er.
    Das fand ich so ungerecht, dass ich schreien wollte, aber es kamen nur ein paar jämmerliche Piepser heraus. Und natürlich musste mein Vater, dieser Jammerlappen, diesmal nicht weinen, obwohl ich so arm dran war.
     
    Am Freitag beschloss ich, dass der Streit vorbei war. Ich war zwar noch sauer, fühlte mich aber vor allem einsam. Außerdem hatte ich Lust auf Kuchen.
    Morgens kochte ich meinem Vater Kaffee und trug ihn zu dem Deckenberg, unter dem er sich versteckt hatte. »Da, Kaffee«, sagte ich, und als er nicht reagierte, fügte ich übertrieben munter hinzu: »Und trink nicht die ganze Milch leer, wir backen heute Abend.«
    Ich war mir nicht sicher, aber ich hatte das Gefühl, dass der Deckenberg genickt hatte.
    Danach ging ich zur Schule, setzte mich an meinen wackligen Tisch. Sascha war nicht da, Milena auch nicht. Es war fast so, als gäbe es mich überhaupt nicht. Niemand sprach mich an, fehlte nur noch, dass sie durch mich hindurchgingen. Ich starrte mit dem Stift in der Hand zum Fenster hinaus und überlegte mir, ihn falsch herum in den Mund zu stecken, dann würde ich blaue Flecken an den Lippen bekommen.
    Aber ich tat es nicht.
    Zu Hause ging ich direkt vom Garten aus in die Küche, um nachzusehen, was wir für den Kuchen brauchten. Mein Vater hatte zwei Kunden. Eigentlich hatte ich gehofft, dass er die Zutaten schon herausgestellt und vielleicht Marshmallows besorgt hätte. Damit würde er mir zumindest zeigen, dass ich ihm wichtig war. Dass sein Leben zwar weiterging, ich aber dazugehörte.
    Ich konnte weder Mehl noch Butter finden. Zur Sicherheit schaute ich in den Kühlschrank. Die Milch war alle.
    Die Milch, die genau auf diesen Moment warten sollte.
    Ich stürmte in den Salon.
    »Die Milch ist alle!«
    Mein Vater hielt gerade jemandem das Rasiermesser ans Kinn.
    »Die Milch ist alle!«, schrie ich noch mal.
    »Ich wollte neue kaufen, aber …«
    Ich riss entsetzt die Augen auf. Er hatte unsere besondere Milch weggetrunken. Einfach so.
    »Olli!«
    Wütend stampfte ich in den Garten, stolperte über einen Stein, hinkte die Leiter hoch und warf mich auf sein Bett, ohne mir vorher die Schuhe auszuziehen.
    Es dauerte lange, sehr lange, bis mein Vater endlich mit seinen Kunden fertig war.
    Das Boot schwankte, als er die Leiter hochstieg.
    »Junge Dame! Ich hatte doch gesagt, dass wir nicht jeden Freitag …«
    »Das mag ja sein, John, aber du hast nicht dazugesagt, dass es ab sofort gilt!«
    Er setzte sich auf die Bettkante. Wie immer, wenn er sich aufregte, zitterten ihm die Hände.
    Ich richtete mich auf. »Es ist deine Schuld, du hast die Milch ausgetrunken«, sagte ich und fügte hinzu: »Du machst immer alles falsch.«
    Er holte tief Luft.
    »Du Depp!« Das sagte ich ziemlich leise.
    Plötzlich brüllte er: »JETZT REICHT’S ABER.«
    Unsanft zerrte er mich vom Bett, ohne darauf zu achten, dass er sich dabei den Kopf anstieß.
    »DAS IST KINDESMISSHANDLUNG!«, hörte ich mich schreien.
    Er umklammerte weiter meinen Arm.
    »Olli, ich gebe mir große Mühe, mich zusammenzureißen, aber …«
    »Ich will deinen Kuchen gar nicht mehr!«
    Was bildete er sich bloß ein? Mit seinem Finanzgenie und seinem Gerede, dass er verantwortungsvoller werden wollte. Verantwortungsvoller, von wegen!
    »DOOFER DEPP!«, schrie ich.
    »Es reicht, Olli.«
    »AHA. ES REICHT ALSO? GENAU! MIR REICHT’S AUCH!«
    »Brüll nicht so, Olli!«
    »DOOFER DEPP!«, schrie ich. Und dann noch mal. Und noch mal.
    Da knallte er mir eine. Klatsch! , hörte ich es in meinem Kopf. Das Geräusch kam von innen. Zuerst spürte ich nichts, dann brannte es höllisch, und meine Wange wurde heiß. Ich legte die Hand ans

Weitere Kostenlose Bücher