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Oliviane – Der Saphir der Göttin

Oliviane – Der Saphir der Göttin

Titel: Oliviane – Der Saphir der Göttin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Cordonnier
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Stein und wäre gefallen, hätte Landry sie nicht festgehalten. In ihrem Kopf drehte sich alles, und die Nacht tat ein Übriges, um ihr die Orientierung zu rauben. Sie merkte nicht, dass er sich mit misstrauischen Augen umsah. Sie wusste nichts von dem Stoßgebet, mit dem er den Himmel anflehte, ihnen nicht ausgerechnet jetzt einen der Wachposten über den Weg zu schicken, die auch in dieser Nacht ihren Dienst versahen,
    Oliviane hatte erst ein einziges Mal den Wachgang auf den Zinnen betreten. Sie hatte keine Ahnung, wohin sie der Weg führte, den sie hastig entlanggezogen wurde, geschweige denn wusste sie, was sie von dieser unverhofften Entführung halten sollte, die ebenso jäh, wie sie begonnen hatte, mit einem Mal in undurchdringlicher Finsternis endete. Sie spürte die Mauern, die sie umgaben, ohne sie zu sehen. Die dumpfe Feuchtigkeit alter Steine und der Moderhauch vergessenen Strohs waren unverkennbar.
    »Wo sind wir hier?«, wisperte sie erschrocken und klammerte sich Halt suchend an Landrys Arm, der ihr wie der einzige Fixpunkt in einer fremden Welt erschien, in der sie nur noch fühlen konnte.
    »Im Söller der ehemaligen Burgherrin«, erhielt sie zur Antwort. »Warte einen Augenblick, es gibt hier irgendwo einen Leuchter mit Kerzen. Ich muss nur den Feuerstein finden!«
    Olivianes Herz überschlug sich. Was hatte das alles zu bedeuten? Ava würde sie vermissen, wenn sie zu lange ausblieb! Sie hatte nur ein paar Augenblicke auf den Zinnen allein sein wollen, allein in der frischen Luft, den endlosen weiten Himmel über sich und nicht von den Wänden ihrer Kammer eingeschlossen, die von Blut und Jagd erzählten.
    »Dort oben ist um diese Zeit keine Seele«, hatte Ava ihr versprochen. »Die Wachen sind über dem Haupttor postiert, denn in diesem Nebel würde nicht einmal ein Feind den Weg finden. Ihr könnt unbesorgt ein paar Schritte tun, ich werde auf Euch warten ...« Wie unbesorgt, das merkte sie erst jetzt.
    »Was soll das? Was wollt Ihr von mir?«, versuchte sie, zu ihrer alten Selbstsicherheit zurückzufinden.
    Die erste Kerze flammte auf, eine zweite folgte, die ebenso nervös flackerte. Schatten tanzten über grobe Steine, in deren Fugen grünlicher Schimmel wuchs. In den undefinierbaren Resten von Stroh und Unrat zu ihren Füßen raschelten aufgestörte, tierische Bewohner, von denen Oliviane lieber nichts Näheres wissen wollte. Neben den länglichen, engen Fensterhöhlen standen ein schwerer Eichentisch und ein dreibeiniger Hocker. Bis auf ein grobes Bettgestell aus gehobelten Brettern, auf dem ein durchgelegener Strohsack lag, war der runde Raum, der sich genau der Form des Turmes anpasste, leer.
    Fröstelnd kuschelte sich Oliviane enger in ihren wärmenden Umhang. Sie hatte Angst. Es war eine andere Angst als jene, die sie vor Paskal Cocherel und der Zukunft empfand, aber doch eine Bangigkeit, die ihr Denken und Handeln auf seltsame Art lähmte. Sie begann sich selbst zu misstrauen.
    Ein Geräusch aus den Dachsparren ließ sie nach oben sehen. Ein paar Tauben drängten sich dort aneinander und gaben leise, missbilligende Laute von sich. Trotz aller Sorge rümpfte sie die Nase über die Kotflecken, die überall im Raum davon Zeugnis ablegten, dass dies seit langem nur mehr das angestammte Zuhause der Vögel war.
    »Der Söller der Burgherrin?«, wiederholte sie argwöhnisch. »Was ist aus der Dame geworden? Hat der Herzog sie mitsamt ihren Damen in Tauben verwandelt?«
    »Sie fand den Tod wie alle anderen, als Paskal Cocherel diese Festung vor einem guten Dutzend Jahren eroberte«, berichtete der Schwarze Landry, ohne auf ihren spöttischen Ton einzugehen. »Die Leute aus dem Dorf glauben immer noch, dass die fromme Dame in hellen Nächten hier oben spukt. Deswegen wagt sich auch niemand herauf. Du kannst unbesorgt sein, wir sind in Sicherheit.
    Unbesorgt? Jäher Zweifel stieg in Oliviane auf, während sie im unruhigen Kerzenschein den Mann musterte, der vor ihr aufragte. Dass er sie mit der ungenierten Vertrautheit eines guten Freundes duzte, verringerte den natürlichen Abstand zwischen Edelfrau und Abenteurer auf gefährliche Weise. Er kam ihr in Worten und Taten zu nahe. Viel zu nahe!
    Sie versuchte, ihn wie einen völlig Fremden zu taxieren. Ihre Augen wanderten von den Reitstiefeln bis hinauf zu dem dichten, schwarzen Schopf, der so aussah, als wäre er aus lockigem nachtdunklen Fell gemacht. Sein wild wuchernder Bart, der die Hälfte seines Gesichts bedeckte, faszinierte sie ebenso, wie

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