Oliviane – Der Saphir der Göttin
»Ich sah mich indessen gezwungen, ihm ins Handwerk zu pfuschen.«
Hinter Olivianes angestrengt gefurchter Stirn überschlugen sich die Gedanken. Er hatte sie entführt, um die Hochzeit zu verhindern! Eine heiße Welle glühender, unerwarteter Freude überflutete sie. Er hatte sie verschleppt, weil er wollte, dass sie ihm gehörte! Dass sie nicht in die Hände eines Mannes fiel, dessen bloßer Anblick sie in Angst und Schrecken versetzte!
»Du bist mit mir geflohen, um mich vor diesem Scheusal zu retten?«, wisperte sie heiser, und ihre Augen leuchteten glücklich auf. »Wie soll ich dir jemals dafür danken?«
»Moment, kleine Dame, du verstehst da etwas falsch, denke ich!«, fiel er ihr bewusst flegelhaft ins Wort. Sie konnte nicht ahnen, wie sehr ihn die grenzenlose Bewunderung irritierte, die er in ihren Augen las.
Warum konnte sie eigentlich nie so reagieren, wie er es erwartete? Er hatte mit ihrer üblichen Arroganz gerechnet, mit einer blasierten Zurechtweisung, keinesfalls mit diesem impulsiven Gefühlsüberschwang, der so viele gefährliche Erinnerungen in ihm weckte.
Landry unterdrückte einen Fluch und wählte seine nächsten Worte behutsamer. »Ich bin kein Ritter, der für seine Dame in die Schranken reitet, meine Kleine! Ich verfolge ausschließlich meine eigenen Ziele! Ich habe dich nicht aus zärtlichen Motiven in diese Hütte entführt!«
»Deine eigenen Ziele«, wiederholte Oliviane völlig verwirrt und hob ihm mit einer hilflosen Geste die offenen Hände entgegen. »Willst du mir nicht sagen, was das für Pläne sind? Du weißt, dass ich nicht hier bleiben darf! Ich habe meinem Großvater mein Wort gegeben, die Gemahlin des Herzogs zu werden. Ich darf es nicht brechen. Er erwartet von mir, dass ich mich seiner würdig erweise und ihm keine Schande mache!«
»Dein Großvater!«, stieß der Schwarze Landry brüsk hervor. »Um sein Wohlergehen musst du dich wahrhaftig nicht mehr sorgen. Er schmort vermutlich in der Hölle, denn ich kann mir nicht vorstellen, dass die himmlische Gerechtigkeit es belohnt, wenn man eines verbohrten, dummen Familienstolzes wegen die eigene Enkelin opfert!«
Die steinernen Mauern verschwammen vor Olivianes Augen, und ihr Herzschlag geriet aus dem Takt. »Willst du damit sagen, er hat meinen Großvater töten lassen? Wer hat es getan? Wer führte die Waffe – du ?«
Landry wollte schon heftig widersprechen, aber dann unterließ er es. Der falsche Verdacht würde sie am besten von der närrischen Schwäche kurieren, die sie für ihn hatte. Er hatte zwar sein Möglichstes getan, um sie außer Gefahr zu bringen, aber er konnte und durfte sich nicht mit einer Frau belasten! Wenn sie sich als Feinde gegenüberstanden, erleichterte es die Angelegenheit. Dann musste er nicht auch noch zu allem Überfluss Tränen trocknen und Erklärungen abgeben, mit denen er nicht dienen konnte.
Oliviane saß wie erstarrt zwischen den Mantelsäcken und schalt sich im Stillen eine alberne Närrin.
Hast du wirklich erwartet, dass dieser Halunke menschliche Empfindungen besitzt? dachte sie bitter. Meinst du, er hätte dich in Sicherheit gebracht, weil ihm an dir liegt? Wach auf, Oliviane de Rospordon, du träumst! Er ist ein Mann, und zwischen Männern und Frauen herrscht Krieg!
Oliviane hob die dichten Wimpern und bedachte den bärtigen Mann mit einem eiskalten, distanzierten Blick. Wenn er Krieg zwischen ihnen wollte, dann sollte er ihn bekommen, auch wenn sich ihr Herz dabei schmerzlich zusammenzog.
»Ihr habt selbst erklärt, dass Ihr nur Euren eigenen Interessen dient. Was geht’s mich also an, was Ihr tut ... Erwartet keinen Dank von mir dafür, dass Ihr einen alten Mann umgebracht habt!«
»Bei Gott!«
Das hatte er nun davon. Er hatte nicht geahnt, dass es ihn so treffen würde, wenn sie ihn für einen gemeinen Mörder hielt. Sobald es um diese Frau ging, klafften zwischen Vernunft und Gefühl ganze Welten.
»Lasst Gott aus dem Spiel«, murmelte Oliviane. »Sagt mir lieber endlich die Wahrheit. Weshalb habt Ihr mich hierher gebracht?«
Täuschte er sich, oder verbarg sich hinter ihrem kühlen Gehabe die gekränkte Frau? Er mochte seine Erfahrungen mit Frauen haben, aber keine konnte es mit dieser stolzen Kriegerin aufnehmen, die es sogar wagte, einem Söldner die Stirn zu bieten.
»Damit du nicht die Herzogin von St. Cado wirst!« Damit blieb er wenigstens zum Teil bei der Wahrheit.
»Ich würde es ohnehin nur bis zur Hochzeitsnacht sein ...«
»Und was wird aus dem
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