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Olympiareife Nummern

Olympiareife Nummern

Titel: Olympiareife Nummern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Meissner-Johnannknecht
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Tomate-Mozzarella für Lily, ich selbst hab' noch keinen Hunger. Im Augenblick geht's mit der Müdigkeit, anscheinend bin ich über den toten Punkt hinweg. Ich stelle den Großen das Essen fertig hin und fahre gleich danach mit Lily los nach Hamburg.
    In der Nachmittagsvorlesung penne ich ein. Denise, die kleine Französin, weckt mich.
    „Ey, Nicolas ... mon Dieu, total müde! Aufwachen ! Ällo !" Ihr „Ällo" ist so nett, dass ich verschlafen nuschele, „sag's noch mal..."

    „Was meinst du?", fragt sie.
    „Ällo", sage ich, „das klingt total witzig, wenn du's sagst!" „Ällo, ällo!", sagt sie und zerzaust mir die Haare. „Sieh disch um", sagt sie (sie sagt wirklich „disch") „Nous sommes tout seul, wir sind ganz allein!" Tatsächlich. Der Hörsaal ist leer.

    „Stimmt", sage ich und gähne, „und jetzt kann ich die Situation nicht mal ausnutzen, weil ich ..." - „weiß sie überhaupt, dass ich schwul bin?", frage ich mich da. Denise ist zwei Semester unter mir. Wir gehen zusammen in ein paar Veranstaltungen und scherzen immer rum, wenn wir uns sehen. Sie ist ein netter kleiner Kobold, ich mag sie! Sie packt ihre Tasche.
    „Wenn du was brauchst ... isch schreib' dir meine 'andy- Nummer auf, bien?" Sie ist Linkshänderin und fasziniert sehe ich zu, wie sie beim Schreiben ihren Arm krümmt. „Alles mit links", murmele ich, noch immer ziemlich müde. „Du isst auch mit links, nicht?", frage ich sie. „Alles ... alles mache isch mit links", sagt sie und sieht mich groß an mit ihren braunen Augen. Sie schminkt sich nicht, das mag ich auch an ihr. Aber bei diesen Riesenaugen ist das sowieso nicht nötig.
„Nicolas!" (immer nennt sie mich Nicolas, ich kann's ihr nicht abgewöhnen!!!) „Du bist ein Süßer, weißt du?", sagt sie da und beugt sich schnell zu mir und küsst mich - wie 'ne Französin eben.
Hey, hey, hey, was geht hier denn ab? Moment mal, kann mir einer mal das Drehbuch zeigen, damit ich weiß, was als nächstes kommt? Ganz schön energisch ist sie, die Dame aus Frankreich und ihre linke Hand ist auch schon aktiv. Ist das heute so üblich, dass Frau dem Mann gleich an die Hose geht? Ich kenn' mich da echt nicht aus, aber ich dachte immer, zuerst geht Mann mit Frau essen. Oder ins Kino. Oder erst mal spazieren und dann nach Wochen des Herumlaufens mit heraushängender Zunge (und Dauerständers ...!) lässt einen die Dame des Begehrens endlich mal ran. Das ist um Gottes Willen nicht von mir. Hab' ich in der Umkleide aufgeschnappt. Läuft's nicht so beim Hetero? Denise scheint's ganz anders zu kennen. „Sofort!", scheint ihr Motto zu sein.
„Oh Gott ...! Denise ... ! Was ... ? Hilfe, sag mal, was machst du da ... ?"
„Vollidiot", muss sie denken. Na, was wohl? Im Hörsaal. Mitten im Hörsaal. Und ich? Ich höre mich nur noch stöhnen ...

Zugegeben, es war total unfair.

Ich habe geschlafen. Okay, was Tolles geträumt hab' ich bestimmt auch - zwar kann ich mich bedauerlicherweise nicht mehr daran erinnern, aber es muss schon was ziemlich Geiles gewesen sein bei dem Ding, was ich hatte, als sie mich weckte ...
„Isch hab's gesehen", kichert sie danach und wischt sich den Mund ab, „deine Beule in der 'ose! Junge, Junge!" Sie sagt ,'ose' und ich find's auch noch gut!
„Du bist genau mein Geschmack", sagt sie frech und ich werde prompt rot. So viel Restanstand besitze selbst ich noch.
    „Jetzt gehen wir zu mir", beschließt sie, „und wir trinken einen Cafe au lait et apres ..." sie sieht mich vielsagend an. Au weia, was wird das geben? 'Cafe au lait?' denke ich miss- trauisch. Sie liebäugelt doch eher mit Cafe latte! Ich habe nicht die Spur einer Chance, ihr zu entkommen. Sie hakt sich bei mir ein, als wären wir schon Jahre zusammen und sitzt kurz darauf in meinem Wagen. Mittlerweile bin ich wieder klar bei Verstand. „Die ist total verrückt", denke ich nervös, „ich muss ihr doch bloß sagen, dass ich stockschwul bin und damit ist die Sache gestorben ... !" Ach ja? Super!
    Ich lass mir genüsslich von ihr im Hörsaal einen blasen und danach sage ich: „Ällo? Les jeux sont fait, Mademoiselle, c'est tout, merci beaucoup!" Quid pro quo. So 'ne Scheiße! Ich will aber nicht! Sie ist nett, ehrlich, sieht auch nett aus und hat es auch gerade sehr nett gemacht (echt gekonnt, muss ich zugeben ...), aber - ich will nicht!
    „Franziska", denke ich verzweifelt, „rette mich! Eine Frau will was von mir!"

    Jan

„Hast du Freitag Zeit?", steht als SMS auf meinem Handy.

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