Olympos
seine Lanze und seinen Helm sowie einen Beutel mit Brot und Weinschläuchen, den er vor so vielen Stunden mitgebracht hat. Nachdem er seine Waffen sicher an seinem Körper befestigt hat, kniet er sich hin, hebt die tote Amazone auf und macht sich auf den Weg zum Olymp.
»Heilige Scheiße«, stieß Daeman hervor und riss sich das T u rin-Tuch vom Gesicht. Lange Minuten waren vergangen. Er warf e i nen Blick auf seine Proxnet-Handfläche – keine Voynixe in der Nähe. Sie hätten ihn wie einen Fisch entgräten können, während er gebannt unter dem Turin-Tuch lag. »Heilige Scheiße«, wiede r holte er.
Keine Antwort, nur das Plätschern der niedrigen Wellen am Strand.
»Was ist wichtiger?«, murmelte er vor sich hin. »Dieses funkti o nierende Turin-Tuch so rasch wie möglich nach Ardis zu bringen – und herauszufinden, weshalb Caliban oder sein Herr es mir hingelegt hat? Oder nach Paris-Krater zurückzukehren, um fes t zustellen, was der Vielarmige-wie-ein-Tintenfisch dort im Schilde führt?«
Er blieb einen Moment lang auf den Knien im Sand liegen. Dann zog er sich an, stopfte das Turin-Tuch in seinen Rucksack, steckte sich das Schwert wieder in den Gürtel, hob die Ar m brust auf und stapfte den Hügel zu dem wartenden Faxpavillon hinauf.
27
Ada erwachte im Dunkeln und sah drei Voynixe in ihrem Zi m mer. Einer von ihnen hielt Harmans abgetrennten Kopf in seinen langen Fingerklingen.
Ada erwachte im diffusen Licht kurz vor der Morgendämm e rung. Ihr Herz klopfte und ihr Mund war offen, als formte er b e reits einen Schrei.
»Harman!«
Sie schwang sich aus dem Bett und setzte sich auf den Rand, den Kopf in die Hände gestürzt. Ihr Herz klopfte immer noch so he f tig, dass ihr schwindlig wurde. Sie konnte nicht glauben, dass sie in ihr Schlafzimmer heraufgekommen und eingeschlafen war, während Harman noch wach war. Diese Schwange r schaft war richtig blöd, dachte sie. Sie machte ihren Körper manchmal zum Verräter.
Sie hatte in ihren Kleidern geschlafen – Kittel, Weste, Segeltuc h hose, dicke Socken –, und sie strich ihre Haare und ihre lange Hemdbluse glatt, so gut sie konnte, um nicht ganz so wild ausz u sehen. Sie erwog, etwas von dem kostbaren warmen Wasser für ein Stehbad am Waschbecken zu benutzen – ihr V o gelbad, wie Harman es immer nannte –, und verwarf die Idee. In den ein, zwei Stunden, seit sie eingeschlafen war, hätte zu viel passieren können. Ada zog ihre Stiefel an und eilte nach unten.
Harman war im Salon, wo die Läden vor den großen Fenstert ü ren geöffnet worden waren, sodass man über die südliche Rase n fläche zur unteren Palisade hinunterschauen konnte. Es gab ke i nen Sonnenaufgang – der Morgen war zu bewölkt –, und es hatte zu schneien begonnen. Ada hatte schon früher in ihrem Leben Schnee gesehen, aber nur einmal hier in Ardis Hall, als sie noch ganz jung gewesen war. Ungefähr ein Dutzend Männer und Fra u en, darunter Daeman – dessen Gesicht seltsam gerötet war –, standen an den Fenstern, betrachteten den fallenden Schnee und unterhielten sich leise.
Ada umarmte Daeman kurz, trat dann zu Harman und legte den Arm um ihn. »Wie geht es Ody … «, setzte sie an.
»Noman lebt noch, aber nur knapp«, sagte Harman leise. »Er hat zu viel Blut verloren und ringt immer mühsamer nach Luft. Fe r man glaubt, dass er in den nächsten ein, zwei Stunden ste r ben wird. Wir versuchen, uns darüber klar zu werden, was wir tun sollen.« Er strich ihr übers Kreuz. »Ada, Daeman hat uns eine schreckliche Nachricht über seine Mutter gebracht.«
Ada schaute zu ihrem Freund hinüber und fragte sich, ob se i ne Mutter sich schlicht geweigert hatte, nach Ardis zu kommen. Sie und Daeman hatten Marina in den vergangenen acht Mon a ten zweimal besucht, und beide Male war es ihnen auch nicht a n satzweise gelungen, die ältere Frau zu überzeugen.
»Sie ist tot«, sagte Daeman. »Caliban hat sie umgebracht. Und alle anderen in dem Domi-Turm auch.«
Ada biss sich auf den Knöchel, bis er beinahe blutete. Dann sagte sie: »Oh, Daeman, es tut mir so schrecklich Leid … « Dann wurde ihr bewusst, was er gesagt hatte, und sie flüsterte: »Caliban?« Nach Harmans Geschichten über Prosperos Insel hatte sie sich eingeredet, dass die Kreatur dort oben gestorben war. »Caliban?«, wiederholte sie stupide. Ihr Traum ließ sie noch immer nicht los; er war wie ein schweres Gewicht um ihren Hals. »Bist du sicher?«
»Ja«, sagte Daeman.
Ada nahm ihn in die Arme,
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