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Olympos

Titel: Olympos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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unsterbliches G e dächtnis nicht trog, denn heutzutage waren alle Erinnerungen mit Vorsicht zu genießen – hatte sie ihrem Sohn Hephaistos befohlen, ihre Räume mit seinen Handwerkerfähigkeiten zu sichern: Qua n tenfluss-Kraftfelder, fast, aber nicht ganz identisch mit jenen, we l che die Moravec-Geschöpfe zum Schutz Trojas und der Achäerl a ger vor göttlichen Übergriffen benutzten, pulsierten in den Wä n den; die Tür zu ihrem Raum bestand aus quantenverstärktem T i tan, stark genug, um selbst einen zornigen Zeus in Schach zu ha l ten, und Hephaistos hatte sie dicht zwischen die Quanten-Türpfosten gefügt und alles mit einem geheimen Riegel aus einem telepathischen Passwort ve r schlossen, das Hera täglich änderte.
    Nun öffnete sie diesen Riegel mit einem mentalen Befehl, schlüpfte hinein, verschloss die nahtlose, glänzende Metallbarri e re hinter ihr und ging ins Badezimmer. Unterwegs entledigte sie sich ihres Gewands und ihrer hauchdünnen Unterwäsche.
    Als Erstes ließ sich die rinderäugige Hera ein tiefes Bad einla u fen, genährt von den reinsten Quellen des Olympos-Eises und erwärmt von Hephaistos ’ Höllenmaschinen, die den Hi t zekern des alten Vulkans anzapften. Mit Ambrosia schrubbte sie sich all die kaum wahrnehmbaren Flecken oder Schatten der Unvol l kommenheit von der leuchtenden, weißen Haut.
    Dann salbte die weißellbogige Hera ihren ewig anbetungswü r digen und verführerischen Körper mit einem Duftöl. Auf dem Olymp hieß es, dass der Duft dieses allein Hera vorbeha l tenen Öls nicht nur jede männliche Gottheit im Haus des Zeus mit der ehe r nen Schwelle erregen, sondern sogleich zur Erde hinabdringen und bei nichtsahnenden Sterblichen Anfälle u n kontrollierbaren Begehrens auslösen würde.
    Dann arrangierte die Tochter des mächtigen Kronos ihre glä n zenden, ambrosianischen Locken um ihr Gesicht mit den ausg e prägten Wangenknochen und schlüpfte in ein ambrosi a nisches Gewand, das Athene vor langer Zeit eigens für sie angefertigt ha t te, als die beiden Freundinnen gewesen waren. Das Gewand war überaus elegant, reich geschmückt und verziert, unter anderem mit einem wunderschönen Brokatmuster aus Rosen, das Athene mit ihren Fingern und dem magischen Webstuhl eingewoben ha t te. Hera befestigte diesen göttlichen Stoff mit goldenen Nadeln über ihren hohen Brüsten und band ihn direkt unter ihren Brüsten mit einem Gürtel zusammen, der mit hundert Quasten verziert war.
    In die gut durchlöcherten Ohrläppchen, die wie helle, scheue Meeresgeschöpfe aus ihren dunklen, duftigen Locken lugten, steckte sie ihre Gehänge, dreifach mit Perlen und maulbeerfö r mig; ihr silberner Schimmer würde sich unter Garantie wie mit Haken tief in jedem männlichen Herzen festsetzen.
    Dann hüllte sie sich in einen schönen, neu gefertigten Schleier aus fein verteilten Goldfäden, der wie Sonnenlicht neben ihren rosigen Wangenknochen glitzerte. Zu guter Letzt befestigte sie schöne Sandalen unter ihren weichen, weißen Füßen und band die goldenen Schnüre kreuzweise über ihre glatten Waden.
    Nachdem sie den ganzen Schmuck umgelegt hatte, blieb Hera vor der verspiegelten Wand neben ihrer Badezimmertür stehen, betrachtete einen Moment lang schweigend ihr Spiegelbild und sagte leise: »Noch ganz die Alte.«
    Dann verließ sie ihre Gemächer, trat in den hallenden Flur hi n aus, legte die Hand an ihre linke Brust und quantentelepo r tierte fort.
     
    Hera fand Aphrodite, die Göttin der Liebe, auf den grasbewac h senen Südhängen des Olymps, wo sie allein lustwandelte. Es war kurz vor Sonnenuntergang, die Tempel und Häuser der Götter auf der Ostseite der Caldera waren in Licht getaucht, und Aphr o dite hatte den goldenen Glanz auf dem Marsmeer im Norden wie auch auf den Eisfeldern nahe der Gipfel dreier riesiger Schildvu l kane weit im Osten bewundert, dort, wohin der Olymp seinen riesigen, über zweihundert Kilometer langen Schatten warf. Die Aussicht war ein wenig verschwommen, nicht nur wegen des ü b lichen Kraftfelds um den Olymp herum, dank dessen sie in fast normaler Erdschwerkraft hier so nah am Weltraumvakuum über dem terraformierten Mars atmen, übe r leben und herumlaufen konnten, sondern auch wegen der schimmernden Ägis, die Zeus zu Beginn des Krieges um den Olymp errichtet hatte.
    Das Loch dort unten – ein aus dem Schatten des Olymps g e schnittener Kreis, in dessen Inneren der Sonnenuntergang einer anderen Welt glühte und der von Reihen bewegter Lichter e r

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