Olympos
flogen.
Schließlich brach General Beh bin Adee das Schweigen. »Was für ein solipsistischer Unsinn. Was für ein metaphysischer Müll. Was für ein totaler Bockmist.«
Orphu sagte nichts.
»Vielleicht ist es Bockmist«, sagte Hauptintegrator Asteague/ Che. »Aber es ist der plausibelste Bockmist, den ich in diesen su r realen letzten neun Monaten gehört habe. Und Orphu hat sich damit einen Platz im Laderaum des U-Boots Dark Lady verdient, wenn das Landeboot sich in … zwei Stunden und vierzehn Min u ten von uns trennt und in die Erdatmosphäre eintritt. Darauf sol l ten wir uns jetzt alle vorbereiten.«
Orphu und Mahnmut waren schon auf dem Weg zum Fah r stuhl – Mahnmut ging wie im Taumel, der riesige Orphu schwebte lau t los auf seinen Repellern –, als Asteague/Che rief: »Orphu!«
Der Ionier drehte sich um, richtete seine toten Kameras und A u genstiele höflich auf den Hauptintegrator und wartete.
»Du wolltest uns noch sagen, wer die Stimme ist, mit der wir heute zusammentreffen werden.«
»Nun ja … « Mahnmuts Freund klang zum ersten Mal verl e gen. »Es ist nur eine Vermutung.«
»Sag es uns trotzdem.«
»Tja, in Anbetracht meiner kleinen Theorie: Wer würde wohl mit weiblicher Stimme nach unserem Passagier – Odysseus, dem Sohn des Laertes – verlangen?«
»Der Weihnachtsmann?«, schlug General bin Adee vor.
»Nicht ganz«, sagte Orphu. »Kalypso.«
Keiner der Moravecs schien den Namen zu kennen.
»Oder … aus dem Universum, aus dem unsere anderen neuen Freunde stammen … «, fuhr Orphu fort, »die Zauberin, die auch unter dem Namen Circe bekannt ist.«
62
Harman war ertrunken, aber nicht tot. In ein paar Minuten würde er sich wünschen, er wäre es.
Das Wasser – die goldene Flüssigkeit – in dem zwölfflächigen kristallenen Schrein war in hohem Maße mit Sauerstoff angere i chert. Sobald sich seine Lungen vollständig damit gefüllt ha t ten, begann der Sauerstoff, durch die dünnwandigen Kapillarien se i ner Lungen zu wandern und wieder in den Blutkreislauf einzutr e ten. Die Menge reichte, um sein Herz weiterschlagen zu lassen – wieder zum Schlagen zu bringen, sollte man sagen, weil es wä h rend des Ertrinkens ausgesetzt hatte und für eine halbe Minute stehen geblieben war – und sein Gehirn lebendig zu erhalten … benommen, voller Angst, scheinbar losgelöst von seinem Körper, aber l e bendig. Er konnte nicht einatmen, seine Instinkte schrien noch immer nach Luft, aber sein Körper b e kam Sauerstoff.
Es kostete ihn gewaltige Anstrengung, die Augen zu öffnen, und die einzige Belohnung war ein verschlierter Blick auf eine Millia r de goldene Wörter und zehn Milliarden pulsierende Bi l der, die darauf warteten, in seinem Gehirn geboren zu werden. Er nahm undeutlich die sechsseitigen Glasflächen des gefluteten kristall e nen Schreins und eine noch verschwommenere G e stalt dahinter wahr, bei der es sich um Moira, Prospero oder vielleicht sogar Ariel handeln konnte, aber all dies war unwic h tig.
Er wollte immer noch Luft auf die richtige Weise einatmen. Wenn er nicht halb bewusstlos gewesen wäre – ruhiggestellt von der Flüssigkeit zur Vorbereitung auf den Transfer –, hätte ihn wahrscheinlich allein schon sein Würgereflex getötet oder in den Wahnsinn getrieben.
Aber der kristallene Schrein hatte andere Mittel parat, ihn in den Wahnsinn zu treiben.
Nun begannen die Informationen in Harman hineinzustr ö men. Informationen aus einer Million alter Bücher, wie Moira und Prospero gesagt hatten. Wörter und Gedanken fast einer Million längst verstorbener Denker oder sogar noch mehr, weil jedes Buch in seinen Beweisführungen, Erwiderungen, leide n schaftlichen Zustimmungen, wütenden Korrekturen und Au f lehnungen eine Vielzahl anderer Denker in sich barg.
Informationen strömten in ihn hinein, aber es war anders als a l les, was Harman jemals zuvor gefühlt oder erlebt hatte. Er hatte sich über viele Jahrzehnte hinweg das Lesen beigebracht und war der erste Altmensch seit unzähligen Jahrhunderten geworden, der den Krakeln, gebogenen Linien und Punkten in den alten B ü chern, die überall in den Regalen verschimmelten, einen Sinn en t nehmen konnte. Doch die Wörter in einem Buch strömen beim Lesen im Gesprächstempo und in linearer Abfo l ge in den Geist – Harman hatte immer eine Stimme in seinem Kopf gehört, die nicht ganz wie seine eigene klang und jedes Wort laut las. Sigln war eine schnellere, aber weniger effektive Methode, ein Buch in
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