Olympos
Belagerung Trojas.«
Mahnmut rieb sich den Kopf. »Und die Terraformierung s o wie die Veränderung der Schwerkraft des Mars … «
»Ja«, sagte Orphu. »Das hat nicht drei, sondern wahrschei n lich einen Großteil der vierzehnhundert Jahre gedauert. Und das auch nur mit Hilfe der Quantentechnologie der Götter.«
»Also gibt es irgendwo da unten oder da draußen einen echten Prospero?«, fragte Mahnmut. »Den Prospero aus Shakespeares Sturm?«
»Oder etwas oder jemand ganz Ähnlichen«, sagte Orphu.
»Was ist mit dem Gehirn-Monster, das erst vor ein paar Tagen durch das Bran-Loch auf die Erde gekommen ist?«, fragte Suma IV. Der Ganymeder klang zornig. »Ist das auch ein Held in de i ner heißgeliebten menschlichen Literatur?«
»Möglicherweise«, sagte Orphu. »Robert Browning schrieb ein Gedicht mit dem Titel › Caliban über Setebos ‹ , in dem das Monster namens Caliban aus Shakespeares Sturm über seinen Gott nac h sinnt, ein Wesen namens Setebos, das Brownings Caliban nur als › der Vielarmige wie ein Tintenfisch ‹ bezeichnet. Das Kennzeichen dieses Gottes war die willkürliche Machtausübung, und er e r nährte sich von Angst und Gewalt.«
»Das klingt ganz schön weit hergeholt«, meinte Aste a gue/Che.
»Ja«, sagte Orphu. »Aber das gilt auch für das auf riesigen menschlichen Händen herumtrippelnde, gewaltige Geschöpf, das wir fotografiert haben. Ziemlich unwahrscheinlich, dass die Ev o lution in welchem Universum auch immer so etwas hervorg e bracht haben könnte, meint ihr nicht? Aber Robert Browning b e saß eine beeindruckende Fantasie.«
»Werden wir dort unten auf der Erde Hamlet begegnen?«, fragte Suma IV. mit hörbarem Spott.
»Oh«, sagte Mahnmut. »Oh. Oh, das wäre nett.«
»Nun wollen wir mal die Kirche im Dorf lassen«, mahnte Hauptintegrator Asteague/Che. »Orphu, wie bist du auf all das gekommen?«
Orphu seufzte. Statt verbal zu antworten, erzeugte der riesige Ionier mit einem holografischen Projektor in der Kommunikat i onskapsel auf seinem zerfurchten und zernarbten Panzer ein Bild, das über dem Kartentisch schwebte.
Sechs dicke Bücher standen in einem virtuellen Büche r schrank. Eines der Bücher – Mahnmut sah, dass es den Titel Auf der Suche nach der verlorenen Zeit – Band III – Guermantes trug – öffnete sich auf Seite 458. Das Bild zoomte auf die Schrift auf der Seite.
Mahnmut kam auf einmal zu Bewusstsein, dass Orphu o p tisch blind war – er konnte nicht sehen, was er projizierte. Das bedeut e te, dass er alle sechs Proust-Bände auswendig kennen musste. Bei der Vorstellung hätte Mahnmut am liebsten laut geschrien.
Mahnmut las zusammen mit den anderen, während die Schrift in der Luft schwebte:
»Leute von Geschmack sagen uns heute, Renoir sei ein großer Maler des achtzehnten Jahrhunderts. Doch wenn sie das sagen, vergessen sie die Zeit, nämlich wie viel davon sogar noch im zwanzigsten vergehen sollte, bis Renoir als großer Künstler gewürdigt worden ist. Um zu solcher A n erkennung zu gelangen, muss ein origineller Maler, ein origineller Künstler vorgehen wie ein Augenarzt. Die Behandlung durch ihre Mal e rei, ihre Prosa ist nicht immer angenehm. Wenn sie beendet ist, sagt uns der Arzt: Jetzt sehen Sie hin! Und siehe da, die Welt (die nicht einmal erschaffen wurde, sondern so oft wie ein orig i neller Künstler aufgetreten ist) kommt uns ganz anders vor als die frühere, jedoch überzeugend und klar. Frauen gehen die Straße en t lang, die völlig anders aussehen als die von ehedem, weil sie Renoirs sind, eben jene Renoirs, in denen wir früher überhaupt keine Frauen erkennen wollten. Auch die Wagen sind R e noirs, das Wasser und der Himmel; wir haben Lust, in dem Wald spazi e ren zu gehen, der uns am ersten Tag wie alles andere als ein Wald vo r kam, eher zum Be i spiel wie eine Stickerei mit vielen Farbtönen, in denen aber gerade diejenigen fehlten, die einen Wald ausmachen. Das ist die neue, vergängliche Welt, die jetzt erschaffen wurde. Sie wird bis zur nächsten erdgeschichtlichen Katastrophe dauern, die durch einen neuen, orig i nellen Maler oder Schriftsteller heraufgeführt werden wird.«
Alle Moravecs am Kartentisch standen stumm da. Das Schwe i gen wurde nur vom Summen der Ventilatoren, von Maschinengerä u schen und den leisen Hintergrundgesprächen der Moravecs u n terbrochen, die die Queen Mab in diesem kritischen Moment der Annäherung an den Äquatorial- und Polarring der Erde tatsäc h lich
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