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Olympos

Titel: Olympos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Zelle wu r den von den Daten geweckt, die auf dem Weg der freien Energie durch die Yan-Shen-Yurke-DNA-Kreise überallhin in den ko l lektiven Organismus namens Harman strömten.
    Es war qualvoller, als Harman es sich hätte vorstellen können und als er es aushalten konnte. Er öffnete mehrmals den Mund, um vor Schmerz zu schreien, aber es war keine Luft in seinen Lungen, keine Luft um ihn herum, und seine Stimmbänder v i brierten nur in der goldenen Flüssigkeit, in der er ertrunken war.
    Metallische Nanopartikel, Kohlenstoff-Nanoröhren und ko m plexere nanoelektronische Vorrichtungen überall in Harmans Körper und Gehirn, Elemente, die schon vor seiner Geburt dort gewesen waren, registrierten den Strom, wurden polarisiert, g e dreht, in drei Dimensionen neu ausgerichtet und begannen, I n formationen zu leiten und zu speichern. Jede der Billiarden ko m plexer DNA-Brücken, die in Harmans Zellen warteten, drehte sich, richtete sich neu aus, ging neue Kombinationen ein und s i cherte Daten über das DNA-Rückgrat seiner elementarsten Stru k tur.
    Harman sah Moiras Gesicht dicht hinter dem Glas, ihre dun k len Savi-Augen spähten herein, ihr vom Kristall verzerrter Gesicht s ausdruck drückte etwas aus – Nervosität? Reue? Pure Neugier?
     
    Ei n zweites England sah ich dort,
    Ein zweites London mit dem Tower
    Und einen zweiten Themsestrand
    Und einen zweiten Surrey Bower.
     
    Bücher, erkannte Harman durch den Niagara-Fall der Schme r zen, waren nur Knoten in einer nahezu unendlichen Matrix der Info r mation, die in vier Dimensionen existiert und sich vertikal durch die Zeit und longitudinal durch das Wissen zur Idee des Konzepts der Annäherung an den Schatten der Wahrheit hin entwickelt.
    Als Kind hatte Harman in seiner Krippe seltene Pergamentp a pierblätter und noch seltenere Markiergeräte namens Bleisti f te genommen und die Blätter mit Punkten bedeckt. Dann hatte er Stunden mit dem Versuch zugebracht, all diese Punkte mit Linien zu verbinden. Es schien immer noch eine weitere mögl i che Linie zu geben, die man ziehen konnte, zwei weitere Pun k te, die man verbinden konnte, und noch ehe er fertig war, hatte sich das cremefarbene Pergamentblatt in ein fast schon solides Grafitg e schmier verwandelt. In späteren Jahren hatte Harman sich gefragt, ob sein junger Geist zu erfassen und auszudrücken versucht hatte, wie er die Fax-Portale wahrnahm, die er benut z te, seit er laufen konnte – oder sogar schon benutzt hatte, als er noch von seiner Mutter getragen worden war. Neun Millionen Kombinationen, die sich aus dreihundert bekannten Faxknoten-Pavillons ergaben.
    Aber dieses Punkteverbinden von Informationen zu makrom o lekularen Speicherkäfigen war viele tausend Male kompl e xer und unendlich schmerzhafter.
     
    Ein zwe ites Mädchen gleich ihr selbst,
    Schei nend, lieblich, strahlend rein,
    Das dreifach in sich selbst sich schloss –
    O welch erregend süße Pein!
     
    O welch ein dreifach Lächeln hat
    Mich da mit Flammenbrand e r füllt;
    I ch beugte mich zum Kuss zu ihr,
    Den dreifach ich zurücke r hielt.
     
    Harman wusste nicht, dass William Blake sich seinen Lebensu n terhalt als Kupferstecher verdient hatte, ohne in diesem Beruf b e sonders populär oder erfolgreich gewesen zu sein. [Alles ist Ko n text.] Blake starb an einem heißen und schwülen Son n tagabend – am 12. August 1827 –, und am Tag seines Todes war es der Al l gemeinheit so gut wie unbekannt, dass der stille, aber oftmals zornige Kupferstecher ein von etlichen seiner bekannteren Zeitg e nossen, darunter auch Samuel Coleridge, sehr g e schätzter Dichter gewesen war. [Kontext ist für Daten dasselbe wie Wasser für einen Delfin.] [Delfine waren eine Gattung von Wasse r tieren, die Anfang des zweiundzwanzigsten Jahrhunderts n. Chr. ausgerottet worden waren.] William Blake hielt sich in der Tat für einen Propheten vom Range eines Hesekiel oder Jesaja, obwohl er für die so beliebten Myst i zismen, okkulten Spielereien und Theosophien seiner Zeit nur Verachtung übrig hatte. [Hesekiel Mao Kent war der Name des Me e resbiologen an der Seite von Alm o renian d ’ Azure, dem letzten Delfin, der am heißen, schwülen Abend des 11. August 2134 n. Chr. im bengal i schen Ozeanarium an Krebs starb. Der von den N. UN. eingesetzte Tie r arten-Ausschuss verzicht e te darauf, die Familie der Delphinidae aus gespeicherter DNA aufzufrischen, und erlaubte es der ausgerotteten Ga t tung, sich friedlich zu allen anderen Delphinidae und

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