Olympos
Loch schoss und südlich vom Olympus Mons nach oben stieg.
Hockenberry stieß einen Schrei aus.
»Stört dich das Display?«, fragte Mahnmut.
Hockenberry schrie erneut auf.
Der Moravec betätigte rasch holografische Kontrollen, die wie durch Zauberei erschienen. Die Distanz zum Boden unter ihnen schrumpfte, bis er nur noch wie ein Bild auf einem riesigen Bil d schirm im Metallboden der Hülle wirkte. Überall um sie herum entfaltete sich das Panorama weiter, während der von einem Kraftfeld verhüllte Gipfel des Olympus Mons vorbeischoss – L a serstrahlen oder irgendwelche Energielanzen tast e ten nach ihnen und prallten auf das Energiefeld der Hornisse. Der blaue Mar s himmel wurde erst rosa, dann schwarz, und schon war die Ho r nisse oberhalb der Atmosphäre und neigte sich – obwohl der g e waltige Rand des Mars heraufzukommen schien, bis er die virt u ellen Fenster füllte.
»Schon besser«, keuchte Hockenberry, der verzweifelt nach e t was tastete, woran er sich festhalten konnte. Der Kraftfeldse s sel hinderte ihn nicht daran, ließ ihn jedoch auch nicht los. »Großer Gott«, keuchte er, als das Schiff eine Rolle um hundertachtzig Grad machte und seine Triebwerke zündete. Ph o bos taumelte ins Blickfeld, fast direkt über ihnen.
Es war nichts zu hören. Nicht das leiseste Geräusch.
»Tut mir Leid«, sagte Mahnmut. »Ich hätte dich warnen so l len. Phobos, der jetzt unseren Heckfensterschirm füllt, ist der kleinere der beiden Marsmonde, mit einem Durchmesser von nur etwa zwölf Kilometern … obwohl er keineswegs eine Kugel ist, wie du siehst.«
»Sieht aus wie eine Kartoffel, in die eine Katze die Krallen g e schlagen hat«, brachte Hockenberry hervor. Der Mond kam sehr schnell näher. »Oder wie eine riesige Olive.«
»Olive, ja«, sagte Mahnmut. »Das liegt an dem Krater am uns zugewandten Ende. Er heißt Stickney – nach der Frau von Asaph Hall, Angeline Stickney Hall.«
»Wer war … Asaph … Hall?«, stieß Hockenberry hervor. »Ein Astronaut … oder … ein Kosmonaut … oder was?« Er fand e t was, woran er sich festhalten konnte. Mahnmut. Der kleine M o ravec schien nichts dagegen zu haben, dass seine Metall- und Kuns t stoffschultern gepackt wurden. Auf dem Heckholo leuchteten Flammen auf, als lautlose Korrektur- oder Haupttriebwerke zü n deten. Es gelang Hockenberry nur mit Mühe, nicht mit den Zä h nen zu klappern.
»Asaph Hall war Astronom am United States Naval Observat o ry in Washington, D.C.«, sagte Mahnmut in seinem üblichen san f ten Plauderton. Die Hornisse neigte sich erneut. Und drehte sich. Phobos und das Loch des Stickney-Kraters füllten erst das eine, dann das andere Holofenster.
Hockenberry war so gut wie sicher, dass das Ding abstürzte und dass er in weniger als einer Minute tot sein würde. Er ve r suchte, sich ein Gebet aus seiner Kindheit in Erinnerung zu r u fen – zum Teufel mit all den Jahren als intellektueller Agnost i ker! –, aber das Einzige, was ihm einfiel, war: »Müde bin ich, geh zur Ruh … «
Es kam ihm durchaus passend vor. Hockenberry sprach es i n nerlich nach.
»Ich glaube, Hall hat beide Marsmonde im Jahr 1877 en t deckt«, erklärte Mahnmut währenddessen. »Soweit ich weiß, gibt es keine Unterlagen darüber, ob Mrs. Hall es zu schätzen wusste, dass ein Krater nach ihr benannt wurde. Natürlich war es ihr Mädche n name.«
Hockenberry erkannte plötzlich, weshalb sie außer Kontrolle g e raten waren und abstürzen und sterben würden. Niemand flog das gottverdammte Schiff. In der Hornisse saßen nur sie beide, und das einzige reale oder virtuelle Bedienungselement, das Mahnmut betätigt hatte, war das zur Einstellung der holograf i schen Bilder gewesen. Er erwog, den kleinen organischen Roboter auf dieses Versäumnis aufmerksam zu machen, aber da der Stic k ney-Krater jetzt sämtliche vorderen Fenster füllte und so schnell auf sie zukam, dass sie keine Chance mehr hatten, vor dem Au f schlag abzubremsen, hielt Hockenberry den Mund.
»Es ist ein seltsamer kleiner Mond«, sagte Mahnmut. »Eigen t lich ein eingefangener Asteroid – genauso wie Deimos, natü r lich. Sie unterscheiden sich aber sehr stark voneinander. Phobos hier kreist keine sechstausend Kilometer über der Marsoberfl ä che – er streift sozusagen fast die Atmosphäre – und wird in ungefähr dreiu n dachtzig Millionen Jahren auf den Mars stü r zen, wenn niemand etwas dagegen unternimmt.«
»Wo wir gerade vom Abstürzen sprechen … «, begann Hocke n
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