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Olympos

Titel: Olympos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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ablenken.
    Und was nun geschah, konnte man durchaus als ablenkend bezeichnen.
    Der Liebesakt – falls es sich bei der fast schon gewalttätigen Kopulation von Odysseus und der Frau, die sich Sycorax g e nannt hatte, um einen solchen handelte – befand sich gerade in einem seiner zeitweiligen Pausenstadien. Die beiden lagen nackt in den zerwühlten Kissen, tranken Wein aus großen do p pelhenkeligen Pokalen und aßen Obst, als eine monströse Kre a tur – amphibische Kiemen, Fangzähne, Klauen, mit Schwim m häuten versehene Füße – Vorhänge beiseite schob und in Sycorax ’ Räume gewatschelt kam.
    »Mutter, denkt, er – ja – muss melden, dass er die Luftschle u se gehört hat, als Caliban gerade einen Flaschenkürbis zu Brei zerdrücken wollte. Da ist etwas, was zu dir will, Mutter. Sagt, er hat Fleisch vor der Nase und vor den Fingern, die wie plu m pe Steine sind. Sag ’ s, Mutter, und in Seinem Namen reiße ich dieser Kreatur das wohlschmeckende Fleisch von den weichen Kalkknochen.«
    »Nein, danke, Caliban, mein Liebling«, sagte die nackte Frau mit den purpurrot gefärbten Augenbrauen. »Bitte unseren B e sucher herein.«
    Das amphibische Wesen namens Caliban trat beiseite. Eine ä l tere Version von Odysseus betrat den Raum.
    Alle Moravecs – selbst diejenigen, die manchmal Schwieri g keiten hatten, die Menschen voneinander zu unterscheiden – sahen die Ähnlichkeit. Der junge Odysseus, der lang ausg e streckt und nackt auf den Seidenkissen lag, starrte den älteren Odysseus stumm an. Diese ältere Version hatte dieselbe g e drungene Statur und die gleiche breite Brust, aber mehr Na r ben, graues Haar und graue Strähnen in ihrem dickeren Bart, und aus ihrer Ha l tung sprach weitaus mehr Würde als aus der ihres Passagiers auf der Reise der Mab.
    »Odysseus«, sagte Sycorax. So gut es die akustischen Anal y sesysteme der Moravecs für menschliche Emotionen feststellen konnten, klang sie wirklich überrascht.
    Er schüttelte den Kopf. »Ich heiße jetzt Noman. Freut mich, dich wiederzusehen, Circe.«
    Die Frau lächelte. »Dann haben wir uns beide verändert. Für die Welt und mich selbst bin ich jetzt Sycorax, mein narbiger Odysseus.«
    Der jüngere Odysseus machte Anstalten, sich zu erheben, die Hände zu Fäusten geballt, aber Sycorax machte eine Bewegung mit der linken Hand, und der junge Odysseus sank wieder in die Kissen zurück.
    »Du bist Circe«, sagte der Mann, der sich Noman nannte. »Du warst immer Circe. Du wirst immer Circe sein.«
    Sycorax zuckte ganz leicht die Achseln; ihre vollen Brüste wippten. Der junge Odysseus lag zu ihrer Linken. Sie klopfte auf die leeren Kissen zu ihrer Rechten. »Dann komm her und setz dich zu mir … Noman.«
    »Nein, danke, Circe«, sagte der Mann, der einen Kittel, kurze Hosen und Sandalen trug. »Ich stehe lieber.«
    »Du kommst her und setzt dich zu mir«, sagte Sycorax mit Nachdruck. Sie vollführte eine komplizierte Bewegung mit der rechten Hand; ihre verschiedenen Finger bewegten sich ke i neswegs willkürlich.
    »Nein, danke, ich bleibe stehen.«
    Wieder blinzelte die Frau überrascht – überraschter als zuvor, dachten die Gesichtsemotionsanalytiker der Moravecs.
    »Moly«, sagte Noman. »Ich glaube, du kennst es. Eine Su b stanz aus einer seltenen schwarzen Wurzel, die einmal in jedem Herbst austreibt und eine milchweiße Blüte trägt.«
    Sycorax nickte langsam. »Ich muss sagen, du bist weit heru m gekommen. Aber hast du es nicht gehört? Hermes ist tot.«
    »Das spielt keine Rolle«, sagte Noman.
    »Nein, wahrscheinlich nicht. Wie bist du hierher gekommen, Odysseus?«
    »Noman.«
    »Wie bist du hierher gekommen, Noman?«
    »Ich habe Savis altes Sonie genommen. Der Flug hat fast vier volle Tage gedauert. Ich bin von einem Orbitalbrocken zum nächsten gekrochen, habe mich dabei immer vor deinen Ve r nichtungsrobotern versteckt oder sie im Tarnmodus abgehängt. Du solltest diese Dinger abschaffen, Circe. Sonst muss man noch Toilettenanlagen in die Sonies einbauen.«
    Sycorax lachte leise. »Und weshalb, um alles in der Welt, sol l te ich die Interzeptoren abschaffen?«
    »Weil ich dich darum bitte.«
    »Und weshalb, um alles in der Welt, sollte ich irgendetwas tun, worum du mich bittest, Odys … Noman?«
    »Das sage ich dir, wenn ich mit meinen Bitten fertig bin.«
    Hinter Noman knurrte Caliban. Der Mensch ignorierte das Geräusch und die Kreatur.
    »Natürlich«, sagte Sycorax. »Fahre mit deinen Bitten fort.« Ihr Lächeln zeigte, wie wenig

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