Olympos
Aufmerksamkeit sie diesen Bitten zu schenken gedachte.
»Wie gesagt, als Erstes solltest du die Orbitalen Interzeptoren eliminieren. Oder programmiere sie wenigstens um, damit wieder ein gefahrloser Raumschiffverkehr innerhalb der Ringe und zwischen ihnen möglich ist … «
Sycorax lächelte unentwegt weiter. Aber der Blick ihrer viole t ten, purpurrot angemalten Augen wurde nicht wärmer.
»Zweitens«, fuhr Noman fort, »möchte ich, dass du das Sper r feld über dem Mittelmeerbecken entfernst und die Hände-des-Herkules-Felder abschaltest.«
Die Hexe lachte leise. »Was für eine merkwürdige Bitte. Der daraus resultierende Tsunami wäre verheerend.«
»Du kannst es langsam und allmählich machen, Circe. Das weiß ich. Fülle das Becken wieder.«
»Bevor du weitersprichst«, sagte sie kalt, »nenn mir einen ei n zigen Grund, weshalb ich das tun sollte.«
»Im Mittelmeerbecken gibt es Dinge, an welche die Altme n schen lieber nicht so bald herankommen sollten.«
»Du meinst die Depots«, sagte Sycorax. »Die Raumschiffe, die Waffen … «
»Viele Dinge«, sagte Noman. »Sorge dafür, dass sich das weindunkle Meer wieder über das Mittelmeerbecken breitet.«
»Vielleicht hast du es nicht bemerkt, weil du auf Reisen warst«, sagte Sycorax, »aber die Altmenschen sind kurz davor, ausgerottet zu werden.«
»Das habe ich bemerkt. Ich bitte dich trotzdem, das Mittelm e erbecken wieder zu füllen – behutsam und langsam. Und wenn du schon dabei bist, beseitige auch gleich diese Torheit des a t lantischen Bruchs.«
Sycorax schüttelte den Kopf und hob den doppelhenkeligen Pokal, um einen Schluck Wein zu trinken. Sie bot Noman nichts an. Der junge Odysseus lag mit glasigem Blick in den Kissen. Offenbar konnte er sich nicht rühren.
»Ist das alles?«, fragte sie.
»Nein«, sagte Noman. »Ich bitte dich auch, alle Faxknoten und Funktion-Links für die Altmenschen zu reaktivieren, ebe n so wie die verbliebenen Verjüngungstanks im Polarring und Äquatorialring.«
Sycorax schwieg.
»Und als Letztes möchte ich«, sagte Noman, »dass du dein zahmes Monster hier zur Erde schickst, damit es Setebos mi t teilt, dass das Ruhige zur Erde kommt.«
Caliban zischte und knurrte. »Denkt, es ist an der Zeit, die g e sunden Beine des Männleins auszureißen und Stümpfe zu hi n terlassen, über die es nachsinnen kann. Denkt, Er ist stark und Herr, und dieser ramponierte Bursche soll einen Wurm b e kommen, nein, zwei Würmer, weil er Seinen Namen mis s braucht.«
»Schweig«, fauchte Sycorax. Sie stand auf. In ihrer Nacktheit sah sie königlicher aus als andere Königinnen in vollem Staat. »Noman, kommt das Ruhige wirklich zu dieser Erde?«
»Ich glaube schon, ja.«
Sycorax schien sich zu entspannen. Sie nahm eine Hand voll Weintrauben aus der Schale auf den Kissen, kam damit zu N o man und bot sie ihm an. Er schüttelte den Kopf.
»Für einen alten Nicht-Odysseus verlangst du ganz schön viel von mir«, sagte sie leise, während sie zwischen dem mit Kissen überhäuften Bett und dem Mann hin und her ging. »Was wü r dest du mir dafür geben?«
»Geschichten von meinen Reisen.«
Sycorax lachte erneut. »Ich kenne deine Reisen.«
»Diesmal nicht. Diesmal waren es zwanzig Jahre, nicht zehn.«
Das schöne Gesicht der Hexe verzog sich zu einer Grimasse, die die Moravecs als höhnisches Grinsen interpretierten. »I m mer auf der Suche nach deiner Penelope.«
»Nein«, sagte Noman, »diesmal nicht. Als du diesmal mein junges Ich durch das Calabi-Yau-Tor geschickt hast, habe ich bei meinen Reisen durch Raum und Zeit – zwanzig Jahre für mich – immer nur dich gesucht.«
Sycorax hörte auf hin und her zu laufen und starrte ihn an.
»Dich«, wiederholte Noman. »Meine Circe. In diesen zwanzig Jahren haben wir uns leidenschaftlich geliebt und viele Male leidenschaftlich das Lager miteinander geteilt. Ich habe dich in deinen vielen Gestalten gefunden, als Circe, Sycorax, Alys und Kalypso.«
»Alys?«, sagte die Hexe.
Noman nickte nur.
»Hatte ich da einen kleinen Spalt zwischen den Schneidezä h nen?«
»Ja.«
Sycorax schüttelte den Kopf. »Du lügst. Es ist doch in allen Realitätslinien dasselbe, Odysseus-Noman. Ich rette dich, ziehe dich aus dem Meer, stehe dir bei, füttere dich mit Honigwein und köstlichen Speisen, versorge deine Wunden, bade dich, zeige dir körperliche Liebe von einer Art, von der du nur g e träumt hast, biete dir Unsterblichkeit und ewige Jugend, und immer gehst du. Immer verlässt du
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