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Olympos

Titel: Olympos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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versuche ich au s zuweichen. Sie erwischt mich an der Schulter, und ich kugele in die Ecke. Jetzt kann ich nicht einmal mehr quieken. Die linke Schulter ist taub, der linke Arm auch – bis in die Fingerspitzen.
    Ich rappele mich hoch und bleibe zusammengekrümmt st e hen, während diese Walküre mit mordlüsternem Blick auf mich zukommt.
    Qte irgendwohin, du Idiot, rate ich mir.
    Wohin?
    Irgendwohin, nur weg von hier!
    Hypsipyle packt mich vorn am Chiton, zerreißt ihn und zielt mit einer schinkengroßen Faust auf mein Gesicht. Ich hebe die Unterarme, um den Schlag abzublocken, und der Aufprall ihrer Faust mit den dicken Knöcheln bricht mir fast die Elle und die Speiche beider Arme. Ich pralle von der Wand ab, und sie packt mich erneut am Chiton und schlägt mir in den Bauch.
    Plötzlich liege ich wieder auf den Knien, würge, versuche, mir den Bauch und die Eier gleichzeitig zu halten und habe nicht mehr genug Luft in den Lungen, um auch nur ein Quieken he r vorzubringen.
    Hypsipyle tritt mich in die Rippen, bricht mir mindestens e i ne, und ich rolle mich auf die Seite. Ich höre das Klatschen der Sandalen der Wachen, die die Haupttreppe heraufgerannt kommen.
    Jetzt fällt es mir wieder ein. Als ich Hypsipyle das letzte Mal ges e hen habe, beschützte sie Helena, und ich habe ihr einen Tiefschlag ve r setzt, um Helena mit mir fortzuschleifen.
    Die Sklavin hebt mich hoch wie eine Stoffpuppe und ohrfeigt mich – erst mit der Vorhand, dann mit der Rückhand, dann wieder mit der Vorhand. Ich merke, wie sich Zähne lockern, und bin froh, dass ich die Lesebrille nicht trage, die ich früher immer tragen musste.
    Herrgott noch mal, Hockenberry, zürnt ein Teil von mir. Du hast gerade mit angesehen, wie Achilles Zeus, den Wolkenversammler, im Zweikampf getötet hat, und jetzt lässt du dir von einer lausigen Lesbe die Scheiße aus dem Leib prügeln.
    Die Wachen stürmen in den Raum; die Spitzen ihrer erhob e nen Speere sind auf mich gerichtet. Hypsipyle dreht sich zu ihnen um, ohne meinen zerknüllten Chiton loszulassen – die Oberseiten meiner Füße schleifen über den Boden –, hält mich ein Stück von sich ab und bietet mich ihren Speeren dar.
    Ich qte uns beide auf die große Mauer.
    Eine Explosion von Sonnenlicht um uns herum. Trojanische Krieger, die nur ein paar Meter entfernt sind, schreien auf und springen zurück. Hypsipyle ist so verdutzt über diesen plötzl i chen Ortswechsel, dass sie mich loslässt.
    Ich nutze ihre kurze Verwirrung, um ihr die kräftigen Beine unter dem Leib wegzutreten. Sie rappelt sich auf alle viere hoch, aber ich ziehe die Beine an, während ich immer noch auf dem Rücken liege, spanne sie an und kicke Hypsipyle von der offenen Brustwehr in die Stadt nach unten.
    Das wird dir eine Lehre sein, du große, muskulöse Kuh, dich nicht mit Thomas Hockenberry, Doktor der Altphilologie, anzulegen …
    Ich stehe auf, wische mir den Staub von den Kleidern und schaue von der Brustwehr nach unten. Die große, muskulöse Kuh ist auf dem Segeltuchdach eines Marktstands gelandet, der mit dem Rücken zur Mauer steht, hat die Segeltuchplane durchschlagen und ist in einem Haufen Kartoffeln gelandet, wie es scheint. Nun läuft sie gerade zur Treppe beim skäischen Tor, um wieder zu mir heraufzusteigen.
    Mist.
    Ich laufe auf der Brustwehr zu der großen Aussichtsplattform in der Nähe des Athene-Tempels, wo ich nun Helena zusa m men mit den anderen Angehörigen der Königsfamilie stehen sehe. Aller Aufmerksamkeit ist auf die Schlacht am Strand g e richtet – das letzte Gefecht meiner zum Untergang verurteilten Achäer, das offenbar in seine Endphase eingetreten ist –, de s halb hält mich niemand auf, bevor ich Helena an ihrem schönen weißen Arm packe.
    »Hock-en-bär-iihh«, sagt sie staunend. »Was ist los? Weshalb bist du … «
    »Wir müssen die gesamte Bevölkerung aus der Stadt scha f fen!«, stoße ich keuchend hervor. »Jetzt sofort! Auf der Stelle!«
    Helena schüttelt den Kopf. Wachposten sind herumgewirbelt und haben zu ihren Speeren oder Schwertern gegriffen, aber Helena schickt sie mit einer Handbewegung fort. »Hock-en-bär-iihh … es ist wunderbar … wir siegen … die Argeier fallen wie Weizen unter unserer Sichel … jeden Moment wird der edle Hektor … «
    »Wir müssen alle aus den Gebäuden, von der Mauer, aus der Stadt schaffen!«, rufe ich.
    Es hat keinen Zweck. Wir sind jetzt von Wachen umzingelt, die bereit sind, Helena, König Priamos und die anderen Ang e hörigen

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