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Olympos

Titel: Olympos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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aber Ada wusste ebenso gut wie er, dass die vie r hundert Mitglieder der damaligen Ardis-Gemeinschaft – also vor dem Gemetzel der Voynixe, das er dank des roten Turin-Tuchs in der Eiffelbahn miterlebt hatte – sie als ihre Anführerin betrachteten, und sie hasste diese Rolle, auch wenn sie auf ganz natürliche Weise hineinschlüpfte. Indem sie alles Mögliche durch permanente Abstimmungen regelte, hatte Ada offenbar versucht, die Grundlage für eine künftige Demokratie zu scha f fen, falls Ardis überlebte.
    Doch wenn das rote Turin ihm wirklichkeitsgetreue Bilder gezeigt hatte – und das glaubte Harman –, hatte Ardis als echte Gemeinschaft nicht überlebt. Vierhundert Menschen bildeten eine Gemeinschaft. Vierundfünfzig zerlumpte, halb verhunge r te Überlebende nicht.
    Die Strahlung schien einen Großteil seiner Speiseröhre n schleimhaut weggefressen zu haben, und jedes Mal, wenn er nun schluckte, spuckte er Blut. Das war eine Ablenkung. Er versuchte, nur einmal alle zehn Schritte zu schlucken. Er wus s te, dass seine rechte Hand, sein Kinn und seine Brust mit Blut beschmiert waren.
    Es wäre interessant gewesen, zu sehen, welche sozialen und politischen Strukturen seine Gattung entwickelt hätte. Möglic h erweise hatte jedoch schon vor den Voynix-Angriffen die B e völkerungszahl – bloße einhunderttausend Männer und Frauen – nicht ausgereicht, um jene echte Dynamik zu erzeugen, die zur Herausbildung von Politik, religiösen Zeremonien, Militär oder sozialen Hierarchien führte.
    Aber Harman glaubte das nicht. In seinen vielen Proteinspe i cherbänken sah er die Beispiele von Athen und Sparta sowie der griechischen Staatsgebilde lange vor dem Aufstieg von Athen und Sparta. Das Turin-Drama – das er jetzt eindeutig als Homers Ilias betrachtete – hatte sich seine Helden aus so kle i nen Königreichen wie dem von Odysseus entliehen.
    Beim Gedanken ans Turin-Drama erinnerte er sich an den A l tar, den sie vor einem Jahr bei ihrem Ausflug nach Paris-Krater gesehen hatten, kurz nachdem Daeman von einem Dinosaurier gefressen worden war. Der Altar war einem der olympischen Götter geweiht gewesen, aber er hatte sofort wieder vergessen, welchem. Zumindest während der letzten anderthalbtausend Jahre hatten die Nachmenschen seinem Volk als Gott- oder Gö t terersatz gedient, aber welche Formen und Rituale würde das künftige Glaubensbedürfnis annehmen?
    Die Zukunft.
    Harman blieb keuchend stehen, lehnte sich an den schulte r hohen schwarzen Felsen, der aus der Nordwand des Bruchs ragte, und versuchte, über die Zukunft nachzudenken.
    Seine Beine zitterten heftig. Es war, als lösten sich seine Bei n muskeln vor seinen Augen auf.
    Keuchend presste Harman Atemzüge durch seine sich schli e ßende, blutende Kehle, starrte geradeaus und kniff die Augen zusammen.
    Die Sonne thronte unmittelbar über der Spalte des Bruchs. E i ne schreckliche Sekunde lang glaubte Harman, dass es immer noch Sonnenaufgang war und er schließlich doch die falsche Richtung eingeschlagen hatte, aber dann erkannte er, dass er den ganzen Tag in einem Betäubungszustand dahingetaumelt war. Die Sonne war aus den Wolken herabgesunken und mac h te sich bereit, am Ende des langen Bruch-Korridors unterzug e hen.
    Harman ging noch zwei Schritte weiter, dann fiel er auf die Nase.
    Diesmal konnte er nicht mehr aufstehen. Er benötigte seine ganze Energie, um sich auf den rechten Ellbogen zu stützen und den Sonnenuntergang zu betrachten.
    Sein Verstand war völlig klar. Er dachte nicht mehr über Shakespeare, Keats, Religionen, den Himmel, den Tod, Politik oder Demokratie nach. Harman dachte an seine Freunde. Er sah Hannah am Tag des Metallgusses am Fluss lachen, erinnerte sich in allen Einzelheiten an ihren jugendlichen Elan und das Frohlocken ihrer Freundinnen und Freunde über die Erscha f fung des ersten bronzenen Artefakts – seit wie vielen tausend Jahren? Er sah Petyr bei seinen Wortgefechten mit Odysseus, damals in jenen Tagen, als der bärtige griechische Krieger sich auf dem grasbewachsenen Hügel hinter Ardis in langen phil o sophischen Auslassungen und seltsamen Frage-und-Antwort-Spielen ergangen hatte. Di e se Sitzungen waren immer von viel Energie und Freude erfüllt gewesen.
    Harman erinnerte sich an Savis heisere, zynische Stimme und ihr noch heisereres Lachen. Er erinnerte sich bis ins Kleinste an ihrer aller Jubel und Geschrei, als Savi Daeman und ihn im Crawler aus Jerusalem herausgefahren hatte, vergeblich ve r folgt von

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