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Olympos

Titel: Olympos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Tausenden von Voynixen. Und er sah das Gesicht se i nes Freundes Daeman wie durch zwei Linsen: den pummel i gen, egozentrischen, kindlichen jungen Mann zum Zeitpunkt ihrer ersten Begegnung, und dann die hagere, ernste Version – einen Mann, dem man sein Leben anvertrauen konnte –, die er zuletzt vor ein paar Wochen gesehen hatte, am Tag seines A b flugs mit dem Sonie aus Ardis.
    Und als die Sonne so perfekt in den Bruch herabsank, dass i h re äußeren Rundungen dessen Wände gerade eben berührten – Harman lächelte beim Gedanken an das Zischen von aufste i gendem Dampf und glaubte tatsächlich, es mit seinen vers a genden Ohren zu hören –, dachte Harman an Ada.
    Er dachte an ihre Augen, ihr Lächeln und ihre sanfte Stimme. Er erinnerte sich an ihr Lachen, ihre Berührung und an das let z te Mal, als sie miteinander im Bett gewesen waren. Harman rief sich ins Gedächtnis, wie sie sich voneinander abwandten, wenn der Schlaf kam, und sich doch bald darauf wieder aneinander schmiegten, um Wärme zu finden – Ada an seinen Rücken, den rechten Arm um ihn gelegt, er selbst später in der Nacht an Adas Rücken und ihrem perfekten Po, während sich eine Spur von Erregung in ihm rührte, noch während er in den Schlaf driftete, seinen linken Arm um sie gelegt, die linke Hand um ihre Brust.
    Harman merkte, dass seine Augenlider so mit Blut verklebt waren, dass er nicht mehr richtig zwinkern, die Augen nicht mehr richtig schließen konnte. Die untergehende Sonne – ihr tiefster Punkt befand sich bereits unterhalb des Bruch-Horizonts – brannte rote und orangefarbene Nachbilder in se i ne Netzhaut. Es spielte keine Rolle. Er wusste, dass er seine Augen nach diesem Sonnenuntergang nie wieder benutzen würde. Deshalb konzentrierte er sich darauf, seine geliebte Ada im Kopf und im Herzen zu behalten und zuzusehen, wie die letzte Hälfte der Sonnenscheibe g e nau im Westen verschwand.
    Etwas bewegte sich und versperrte ihm den Blick auf den letzten Rest des Sonnenuntergangs.
    Es dauerte etliche Sekunden, bis Harmans sterbender Ve r stand diese Informationen verarbeiten konnte. Etwas hatte sich in sein Blickfeld bewegt und ihm den Blick auf den letzten Rest des Sonnenuntergangs versperrt.
    Immer noch auf den rechten Ellbogen gestützt, rieb er sich mit dem linken Handrücken ein wenig von dem verklebten Blut aus den Augen.
    Etwas stand im Bruch, keine sechs Meter westlich von Harman. Es musste durch die Wasserwand des Bruchs auf der Nordseite gekommen sein. Das Ding hatte ungefähr die Größe und die Gestalt eines acht- oder neunjährigen Kindes, aber es trug einen seltsamen Anzug aus Metall und Kunststoff. Harman sah eine schwarze Sichtscheibe, wo die Augen des kleinen Jungen sein sollten.
    Auf der Schwelle des Todes, wenn das Gehirn aufgrund von Saue r stoffmangel abschaltet, soufflierte ihm ein Proteinspeichermolekül unaufgefordert, sind Halluzinationen nichts Ungewöhnliches. D a her die häufigen Geschichten wiederbelebter Opfer von einem »langen Tunnel«, der in einem »hellen Licht« endet und …
    Scheiß drauf, dachte Harman. Er starrte durch einen langen Tunnel auf ein helles Licht, obwohl nur noch der obere Rand der Sonne übrig war, und beide Wände des Bruchs waren von Licht erfüllt – silberne, helle Spiegelflächen mit Millionen Face t ten tanzenden Lichts.
    Aber der Junge in dem rot-schwarzen Anzug aus Kunststoff und Metall war real.
    Und während Harman ihn anstarrte, schob sich etwas Größ e res und Fremdartigeres aus der Nordwand des Bruchs.
    Das Kraftfeld ist halb durchlässig, aber nur für Menschen und das, was sie am Leib tragen, dachte Harman.
    Diese zweite Erscheinung war jedoch nicht einmal ande u tungsweise menschlich. Sie war ungefähr doppelt so groß wie die größte Droschke, sah jedoch eher wie ein riesiges, robotera r tiges Krebsmonster mit großen Scheren, vielen metallenen Be i nen und einem riesigen, zernarbten Panzer aus, von dem nun geräuschvolle Wasserrinnsale strömten.
    Niemand hat mir gesagt, dass die letzten Minuten vor dem Tod v i suell so amüsant sein würden, dachte Harman.
    Die kleine Jungengestalt trat näher heran. Sie sprach Englisch, ihre Stimme klang sanft und ziemlich jungenhaft, vielleicht so, wie die von Harmans künftigem Sohn einmal klingen würde, und sie sagte: »Können wir Ihnen irgendwie behilflich sein?«
     

87
    Es war kurz nach Sonnenaufgang, und fünfzigtausend Voynixe griffen aus allen Richtungen an. Ada blieb stehen und schaute zur Grube

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