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Olympos

Titel: Olympos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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visorischen Palast war durchgesickert, dass Penthesilea g e schworen hatte, Achilles zu töten – und Ajax auch, wenn sie die Zeit dazu hatte, sowie jeden anderen achäischen Truppenführer, der ihr in die Quere kam. Nun, dies hatte etwas Schlafe n des, aber gewiss nicht Passives in den Frauen Trojas (ganz a n ders als bei den wenigen überlebenden »Trojanerinnen«) g e weckt, und sie waren auf die Straße, auf die Mauern und sogar auf die Zinnen geeilt, wo die verwirrten Wächter vor den schreienden Gemahlinnen, Töchtern, Schwestern und Müttern die Waffen gestreckt hatten.
    Dann schien eine Frau namens Hippodameia – nicht die woh l bekannte Gemahlin von Peirithoos, sondern vielmehr die Gattin des Tisiphonos, eines so unbedeutenden trojanischen Anführers, dass Menelaos ihm auf dem Schlachtfeld noch nie begegnet war und auch an den Lagerfeuern noch nie etwas von ihm gehört ha t te – die Frauen Trojas mit ihrer lautstarken R e dekunst zu wilder Mordlust aufzustacheln. Menelaos hielt inne und gaffte grinsend, blieb dann jedoch, um zuzuhören.
    »Schwestern!«, schrie Hippodameia, eine keineswegs reizlose Frau mit kräftigen Armen und schweren Hüften. Ihr zurückg e bundenes Haar hatte sich gelöst und tanzte ihr nun um die Schu l tern, während sie mit lauter Stimme gestikulierte. »Weshalb h a ben wir nicht an der Seite unserer Männer gekämpft? Weshalb haben wir über das Schicksal Iliums geweint – über das Schicksal unserer Kinder gejammert –, aber dennoch nichts getan, um di e ses Schicksal zu ändern? Sind wir so viel schwächer als die bartl o sen Knaben Trojas, die in diesem letzten Jahr hinausgegangen sind, um für ihre Stadt zu sterben? Sind wir nicht ebenso g e schmeidig und ebenso ernst zu nehmen wie u n sere Söhne?«
    Die Frauenmenge brüllte.
    »Wir teilen Nahrung, Licht, Luft und unsere Betten mit den Männern unserer Stadt«, rief die vollhüftige Hippodameia. »W a rum teilen wir dann nicht auch ihr Schicksal im Kampf? Sind wir so schwach?«
    »Nein!«, brüllten tausend Frauen Trojas von den Mauern.
    »Gibt es auch nur eine unter uns, die keinen Gemahl, Bruder, Vater, Sohn oder anderen Angehörigen in diesem Krieg gegen die Achäer verloren hat?«
    »Nein!«
    »Zweifelt irgendeine von uns daran, was für ein Schicksal uns Frauen bestimmt wäre, wenn die Achäer diesen Krieg gewo n nen hätten?«
    »Nein!«
    »Dann lasst uns hier keine Sekunde länger zaudern«, rief Hi p podameia über das Gebrüll hinweg. »Die Amazonenkön i gin hat gelobt, Achilles heute noch vor Sonnenuntergang zu töten, und sie ist von weither gekommen, um für eine Stadt zu kämpfen, die nicht ihre Heimat ist. Können wir da für unsere Heimat, unsere Männer und Kinder, unser eigenes Leben und unsere Zukunft weniger geloben und weniger tun?«
    »Nein!« Diesmal nahm das Gebrüll kein Ende mehr, und die Frauen auf dem Platz setzten sich in Bewegung, sprangen von den Stufen auf die Mauer; einige hätten Menelaos in ihrer Begeist e rung beinahe umgerannt.
    »Bewaffnet euch!«, schrie Hippodameia. »Werft eure Spinnwi r teln und eure Wolle fort, verlasst eure Webstühle, rüstet euch und gesellt euch draußen vor diesen Mauern zu mir!«
    Die Männer auf den Mauern und auf dem Platz, Männer, die während des ersten Teils der Tirade von Tisiphonos ’ Gattin noch anzüglich gegrinst und gelacht hatten, verdrückten sich nun in Hauseingänge und Gassen, um der heranstürmenden Menge au s zuweichen. Menelaos folgte ihrem Beispiel.
    Er hatte sich gerade zum Gehen gewandt und steuerte auf das skäische Tor in der Nähe zu – Gott sei Dank war es noch offen –, als er Helena an einer nahe gelegenen Ecke stehen sah. Sie blickte in die andere Richtung und sah ihn nicht. Er beobacht e te, wie sie zwei Frauen zum Abschied küsste und dann die Straße entlan g ging. Allein.
    Menelaos blieb stehen, holte Luft, legte die Hand ans Heft seines Schwertes, machte kehrt und folgte ihr.
     
    »Theano hat diesem Irrsinn ein Ende gemacht«, sagte Ka s sandra. »Theano hat zu der Menge gesprochen und diesen Fraue n mob zur Vernunft gebracht.«
    »Theano ist seit über acht Monaten tot«, erwiderte Androm a che kalt.
    »In dem anderen Jetzt.« Kassandras Stimme klang unerträ g lich monoton, wie immer, wenn sie halb in Trance war. »In der and e ren Zukunft. Theano hat dem ein Ende gemacht. Alle h a ben der Oberpriesterin des Athene-Tempels gehorcht.«
    »Nun, Theano ist Würmerfutter. So tot wie Paris ’ Schwanz«, sa g te Helena.

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